Sexuelle Belästigung Alte Vorwürfe lassen Snowboard-König Shaun White kalt

Pyeongchang · Er tilgt die Schmach von 2014. In Pyeongchang gewinnt der beste Snowboarder der Geschichte zum dritten Mal Gold in der Halfpipe. Alte Vorwürfe gegen den US-Amerikaner trüben aber die Stimmung.

Olympia 2018: Shaun White schreibt mit drittem Gold Snowboard-Geschichte
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White schreibt mit drittem Gold Snowboard-Geschichte

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Foto: rtr, LIM

Sein Thron war erneut in höchster Gefahr, einer der jungen Aufrührer machte sich schon bereit, ihn zu besteigen, da holte der König der Halfpipe noch einmal zum Gegenschlag aus - und wie. Mit einem grandiosen letzten Durchgang sicherte sich Shaun White, Superstar des Snowboardens, seine dritte Goldmedaille bei Olympischen Spielen nach 2006 und 2010. Zu den ersten Gratulanten gehörte IOC-Präsident Thomas Bach, der dem "King" freudestrahlend auf die Schulter klopfte.

Mit versteinerter Miene verfolgte der Japaner Ayumu Hirano, wie der 31 Jahre alte White zunächst theatralisch auf die Knie sank, weinte, sein Board in die Luft warf und sich hinterher ein wenig gebärdete wie ein Hausmeister, der ein paar kleine Kinder vom Hof vertrieben hatte. Hirano, 19 Jahre alt, Olympia-Zweiter 2014, Kreolen in den Segelohren, schien sich gedemütigt zu fühlen. Er hatte White mit seinem zweiten Run (95,25 Punkte) in den Seilen, doch der konterte im Stile eines Champions (97,25) - episch!

Nicht jeder aber wollte White anhimmeln. Die Onlineportale Slate und Deadspin sowie USA Today erinnerten daran, dass Lena Zaiwadeh, Schlagzeugerin von Whites Rockband Bad Things, im August 2016 Klage beim Zivilgericht in San Diego gegen ihn eingereicht hatte. Es geht um sexuelle Belästigung, Schikane, obszöne Bilder und Textnachrichten. White bestreitet die Vorwürfe, gab aber das Senden der Nachrichten zu. Im Mai 2017 wurde die Sache außergerichtlich beigelegt. "Ich bin hier, um über Olympia zu sprechen, nicht über Klatsch", sagte White nach seinem Sieg. Für diese Formulierung entschuldigte sich der 31-Jährige später allerdings wieder. "Es tut mir wirklich leid, dass ich das Wort ,Klatsch' benutzt habe. Es war eine schlechte Wortwahl, um solch ein sensibles Thema unserer heutigen Zeit zu beschreiben."

Zuvor war er noch bester Laune, als er betonte, er sei "überwältigt vor Glück". Als Gold klar war, "hat mich das gelähmt", sagte er. Die Schockstarre währte nicht lange, jeder, der nur ansatzweise in der Nähe war, Bach inklusive, bekam von ihm einen Klaps, einen "fistbump", eine Umarmung. Familie, Freunde, Team. Und White war stolz auf seinen letzten Run, in dem er gleich zwei "Cab Double Cork 1440" nacheinander sprang, ein Trick, der ihn beinahe die Teilnahme an diesen Spielen gekostet hätte.

Die gegenseitigen Glückwünsche auch mit dem drittplatzierten Australier Scotty James (92,00) fielen recht unterkühlt aus. White war viel zu sehr damit beschäftigt, seiner Freude, ganz besonders aber seiner Genugtuung darüber Ausdruck zu verleihen, dass er seine größte sportliche Schmach getilgt, dass er seine Zweifel besiegt und seine Zweifler ruhiggestellt hatte. Vor vier Jahren hatte er in Sotschi nur Rang vier belegt, weil er seinen "Drive" wie er sich eingestehen musste, verloren hatte.

An die Niederlage von Sotschi "habe ich seitdem jeden Tag gedacht", bekannte White. Er nahm sie zum Anlass, sich neu zu erfinden. Er fand die Liebe zu seinem Sport wieder, aber sein Sport hat sich weiterentwickelt. White muss immer mehr aus sich herausholen, im Oktober übertrieb er es, stürzte beim Training in Neuseeland, als er eben jenen "Cab Doble Cork 1440" probte, er flog auf die Kante der Pipe: Lungenquetschung, 62 Stiche im demolierten Gesicht, Verunsicherung.

White sagte, es seien "die schweren Zeiten, die dich als Menschen definieren". Das Rennen um einen Platz im starken US-Olympiateam wurde für ihn zum Wettlauf mit der Zeit, im Dezember resignierte er beinahe. Im Januar nutzte er in Aspen seine vorletzte Chance - mit dem Traumscore 100. Und nun der erneute Triumph bei Olympia: Unter größtem Druck die größte Leistung. Wahrhaft königlich. Im Gegensatz zur unappetitlichen Geschichte mit Frau Zaiwadeh. In Zeiten von #MeToo nicht gut für den Ruf. Gerade in den USA.

(sid)
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