Führung im Medaillenspiegel Darum ist Norwegen bei Olympia so erfolgreich
Pyeongchang/Düsseldorf · Trotz nur 5,2 Millionen Einwohnern ist Norwegen eine der besten Nationen im Wintersport. Gründe dafür liegen in den 1980er Jahren. Doch den Erfolg begleitet auch Argwohn.
Bjarte Engen Vik muss nicht lange überlegen, was der Grund für die Medaillenfülle seiner norwegischen Landsleute in Pyeongchang ist. "Olympiatoppen ist der Schlüssel", sagt der Doppelolympiasieger von 1998 in der Nordischen Kombination unserer Redaktion. Doch was ist das, Olympiatoppen? Dahinter verbirgt sich die zentrale Einrichtung für den Spitzensport, in der Trainer, Wissenschaftler, Sponsoren und Athleten zusammengeführt werden. Sie wurde 1988 in Oslo gegründet, im Jahr, als Norwegen bei den Spielen in Calgary erstmals ohne Goldmedaille blieb und den Zuschlag für die Spiele 1994 in Lillehammer bekam. "Hier versammeln wir alle Sportarten und alles Wissen", sagt Lasse Kjus, Olympiasieger 1994 in der alpinen Kombination.
Die Zauberworte in Bezug auf Olympiatoppen lauten Zentralisierung und Austausch. "Alle Sportarten teilen hier ihre Erkenntnisse, jeder soll von jedem lernen", sagt Vik. Der Leitspruch lautet: Wir sind das Beste aus dem Besten der Verbände. Man vergibt Stipendien an Talente, bietet medizinische Unterstützung für alle Teams und Top-Trainingsbedingungen. Olympiatoppen unterteilt sich in vier Bereiche: Training, Gesundheit, Ausdauer und Ernährung. Hier verteilt man die über Sponsoren und staatliche Töpfe generierten Fördergelder an die Verbände und entscheidet, welche Athleten letztlich an den Spielen teilnehmen.
Mehr als die Hälfte aller Athleten der Elite-Einrichtung lebt von Stipendien, also vom Sport. Der 24-Stunden-Athlet ist Kernelement des norwegischen Konzeptes. Thor Ole Rimejorde, einer der Väter des Olympiatoppen-Projekts, sagte mal: "Als Spitzensportler musst du begreifen, dass du 24 Stunden am Tag Athlet bist, und deswegen brauchst du eine Balance zwischen Belastung und Ruhe, Sport, Ausbildung und sozialem Leben." Das Konzept geht auf: Norwegen war auch schon vor 1988 eine Top-Nation bei Winterspielen und konnte sechsmal - 1924, 1928, 1936, 1948, 1952 (in Oslo) und 1968 - den Medaillenspiegel für sich entscheiden, doch bei den Spielen bis 1988 holte man im Schnitt nur 9,8 Medaillen. Seitdem sind es im Schnitt 23, und die Spiele 2018 sind mit bis gestern 35 schon jetzt die erfolgreichsten in der Geschichte des 5,2-Millionen-Einwohner-Landes, das mit einem Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet rund 60.000 Euro pro Kopf das drittreichste Land der Welt nach Luxemburg und der Schweiz ist.
Im ewigen Medaillenspiegel der Winterspiele liegt Norwegen, das neben Österreich und Liechtenstein eines von nur drei Ländern ist, die bei Winterspielen mehr Medaillen gewonnen haben als bei Sommerspielen, auf Rang drei. Hinter Deutschland und Russland. Die drei erfolgreichsten Winter-Olympioniken sind Norweger: Biathlet Ole Einar Bjørndalen, Langläufer Bjørn Dæhlie und Langläuferin Marit Bjørgen.
Also alles eine makellos strahlende Erfolgsgeschichte? Nicht uneingeschränkt, denn der Argwohn begleitet die Medaillenflut auch in diesen Tagen. Nicht zuletzt wegen der 6000 Dosen Asthmamittel, die das 121 Athleten umfassende Team laut norwegischem TV-Sender NRK mit nach Südkorea gebracht hat. Darunter wohl das Mittel Salbutamol, das bei höherer Verabreichung als Dopingmittel gilt und für die positive Dopingprobe von Tour-de-France-Sieger Chris Froome verantwortlich zeichnet. Asthmamittel weiten die Bronchien, weswegen die Zahl der Asthmatiker unter den Spitzensportlern zuletzt auffällig zunahm.
Die siebenmalige Langlauf-Weltmeisterin Therese Johaug ist für Olympia gesperrt wegen der Einnahme einer verbotenen Substanz mittels eine Lippencreme. Sie habe sich nur gegen Sonnenbrand schützen wollen, sagt sie.