Freestylerin zeigt keine Tricks Wie man es ohne Talent zu Olympia schafft

Pyeongchang/Düsseldorf · Als Elisabeth Swaney die Halfpipe betritt, macht die Welt ein ziemlich überraschtes Gesicht. Denn die für Ungarn startende US-Amerikanerin zeigt keinen einzigen Trick. Kein Wunder: Sie stand 2010 erstmals auf Skiern, nutzte eine Lücke für die Olympia-Qualifikation. Aber ist das wirklich noch der Olympische Gedanke?

 Elisabeth Swaney kam heil durch die Halfpipe, zeigte aber keine Tricks oder Sprünge.

Elisabeth Swaney kam heil durch die Halfpipe, zeigte aber keine Tricks oder Sprünge.

Foto: ap

Bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang nehmen 2952 Sportler aus 92 Nationen teil. Die meisten trainieren dafür ihr Leben lang und qualifizieren sich oft nur um Haaresbreite. Elisabeth Swaney war dieser Gedanke anscheinend etwas zu anstrengend. Sie nutzte eine Lücke im System und sicherte sich dadurch die Olympia-Teilnahme beim Halfpipe-Wettbewerb der Ski-Freestylerinnen. Wegen ihrer ungarischen Großeltern durfte sie für Ungarn starten. Aber wie kam es soweit?

Um sich für den Halfpipe-Wettbewerb bei den Damen zu qualifizieren, braucht der Teilnehmer konstante Top-30 Platzierungen im Weltcup. Das klingt in der Theorie schwierig, jedoch handelt es sich um eine vergleichsweise teilnehmerarme Disziplin. Swaney reiste also - finanziert durch Crowdfunding - 13 Mal zu Weltcups mit maximal 30 Teilnehmerinnen nach China, Neuseeland und quer durch die USA. Sie landete dabei regelmäßig auf den hintersten Plätzen.

Sicherheit statt Saltos

Ihr Trick: Sie fährt auf Sicherheit, zeigt lieber keine Tricks und vermeidetet dadurch Stürze. Wer stürzt, bekommt wenig Punkte. So gelang ihr sogar ein 13. Platz (von 15), da andere Teilnehmerinnen im Schnee landeten. Auf diese Weise sammelte Swaney die benötigten Punkte für die Olympia-Qualifikation.

Frei nach dem Motto "Dabei sein ist alles" machte sie bei den Spielen in Pyeongchang mit, ohne besser Ski zu fahren, als ein durchschnittlicher Winter-Urlauber. Aber ist das wirklich gerecht? Dass die Amerikanerin den scheinbaren Lebenstraum Olympia durch eine Lücke im System beinah mühelos erreicht, während andere Teilnehmer dafür einen Großteil ihres Lebens opfern? Die Menschen in den sozialen Netzwerken sind gespalten. Manche feierten die talentfreie Freestylerin als Olympia-Heldin, andere verspotteten Swaney oder waren sogar empört.

Auch Swaney selbst hat sich geäußert. Nach ihrem Lauf richtete sie ihren Blick aber wohl als einzige auf ihr sportliches Ergebnis: "Ich habe mich nicht fürs Finale qualifizieren können, was wirklich enttäuschend ist", sagte die 33-Jährige: "Ich habe aber wirklich jahrelang gearbeitet, um hier sein zu dürfen."

Diese Einschätzung dürfte wohl einen Großteil aller Olympischen Teilnehmer mächtig in Rage bringen. Ihre Vorgeschichte setzt da noch einen drauf. Die zeigt nämlich, dass Elisabeth Swaney alles andere ist, als jemand, der einfach nur dabei sein will, der sich seinen angeblichen Lebenstraum erfüllt.

Steuerfrau in Berkely, Skeleton für Venezuela

Die Amerikanerin hat in Harvard und Berkeley studiert. Dort war sie bereits in der Position des Steuermannes des Berkeley-Männer-Ruderteams aktiv. Später wollte sie für Venezuela - dem Herkunftsland ihrer Mutter - als Skeletonfahrerin bei Olympia starten. 2003 bewarb sie sich als Gegenkandidatin von Arnold Schwarzenegger bei der Wahl zum Gouverneur von Kalifornien. Ein prall gefüllter Lebenslauf, der zeigt: Wie man ins Gespräch kommt, weiß Swaney ganz genau.

Vor ihrem Lauf beim Ski-Freestyle sagte die 33-Jährige übrigens: "Ich werde einfach versuchen, mich so gut wie möglich zu schlagen und Ungarn so gut zu repräsentieren, wie ich kann." Ob ihr das gelungen ist, darüber lässt sich streiten. "Ist es wirklich notwendig, dass eine Sportlerin mit solchen Fähigkeiten Ungarn bei den Olympischen Spielen vertritt?", fragte ein ungarischer TV-Sender.

Wie die Aktion von Swaney auch zu bewerten ist, sie hat ihr Ziel erreicht: Die Welt kennt jetzt den Namen Elisabeth Swaney - zumindest für die Dauer der Olympischen Spiele. Und ihr amateurhafter Auftritt hat noch eine weitere Konsequenz: Die FIS, der zuständige Weltverband, will die Richtlinien für eine Olympia-Qualifikation in Zukunft verschärfen.

(se)
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