Olympia 2018 Mariama Jamanka - die Heldin aus der zweiten Reihe

Pyeongchang · Dank Mariama Jamanka ist Deutschland wieder wer im Frauen-Bobsport, der Olympiasieg kam fast aus dem Nichts. Doch schon im kommenden Winter werden die Karten völlig neu gemischt.

Olympia 2018: Mariama Jamanka und Lisa Buckwitz strahlen mit Gold um die Wette
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Jamanka und Buckwitz strahlen mit Gold um die Wette

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Manche Ziele sind einfach zu hoch gesteckt, das musste auch Mariama Jamanka einsehen. Allerdings erst nach ihrem sensationellen Olympiasieg im Zweierbob. "Bis zum Mittagessen" wollte sie eigentlich durchfeiern, stattdessen war in den frühen Morgenstunden Schluss. Höchstleistungen kosten eben Kraft, und genau so eine hat Jamanka in Pyeongchang vollbracht. Für sich, für den ganzen deutschen Bobsport.

"Ich bin noch immer fassungslos", sagte die erste deutsche Olympiasiegerin seit zwölf Jahren am Tag danach: "Dass ich überhaupt hier dabei sein konnte, bei Olympia, das war doch schon Wahnsinn."

Der Weg der ehemaligen Hammerwerferin Mariama Jamanka zum Olympiasieg im Zweierbob war von Stürzen und Tränen begleitet. Es ist erst vier Jahre her, dass Mariama Jamanka noch ein Startverbot für die schwierige Bahn in Altenberg erhielt. "Damals, als ich noch Nachwuchschef war, da hab ich sie bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Altenberg nicht fahren lassen, weil es auf dieser Bahn zu gefährlich war", erzählte Heimtrainer Matthias Höpfner über die 27-Jährige. "Vier Jahre später steht dieses Mädel als Olympiasiegerin da, solche Geschichten schreibt nur der Sport."

Höpfner schlägt heute noch die Hände über den Kopf zusammen, wenn er zurückblickt. "Wir haben 2014 versucht, ihr Bobfahren beizubringen. Der Anfang war ganz, ganz schwer." Der ehemalige Weltklassepilot betonte, dass Jamanka keine Bahnerfahrung zum Beispiel als Rodlerin hatte, aber große Lust auf diesen Rennsport. "Es zeigt mal wieder, wenn man mit Beharrlichkeit und Engagement an einer Sache dran bleibt, dass viel möglich ist", meinte Höpfner.

So ist Jamankas Geschichte die einer Heldin aus der zweiten Reihe. Der deutsche Verband hatte sich von den Frauen vorsichtig eine Medaille erhofft, eine bronzene. Aber nicht von Jamanka und ihrer Anschieberin Lisa Buckwitz: Stephanie Schneider und die Ausnahme-Athletin Annika Drazek waren die vermeintlich größte Chance.

Das war besonders pikant. Denn weil Jamanka Defizite bei der Sprintfähigkeit hat und am Start nicht zur internationalen Spitze gehört, war ihr die Anschieberin Drazek weggenommen worden, erst kurz vor den Spielen. Und offenbar setzte genau diese Entscheidung weitere Kräfte frei. "Wir wollten zeigen, was wir können", sagt Jamanka über sich und Buckwitz: "Wenn man nicht als Deutschland eins an den Start geht, dann facht das den Ehrgeiz nur noch mehr an."

Jamankas Timing hätte nicht besser sein können. Im Weltcup hatte sie zuvor noch nie gewonnen, ihren ersten Sieg auf großer Bühne hob sie sich ausgerechnet für Olympia auf. Und die Art und Weise, wie sie in Südkorea mit Nervenstärke und fahrerischer Finesse völlig verdient zu Gold fuhr, zeugt von einer Reife, die noch viele Erfolge ermöglichen sollte.

Da liegt es aus deutscher Sicht nun nahe, mit Blick auf die kommenden vier Jahre bis Peking 2022 zu frohlocken. Weltmeisterin Elana Meyers Taylor (33) und die zweimalige Olympiasiegerin Kaillie Humphries (32) haben den Bobsport lange beherrscht, nun kommen sie in die Jahre. Füllen die deutschen Frauen um Jamanka und die in Pyeongchang trotz einer Blessur viertplatzierte Schneider (beide 27) die Lücke?

Bundestrainer Rene Spies tritt da auf die Bremse. Er weiß, dass Pyeongchang nicht unbedingt repräsentativ war für das Kräfteverhältnis und erst recht nicht für den kommenden Olympiazyklus. "Das kann genau so wieder in die andere Richtung gehen", sagt er: "Es werden jetzt überall wieder junge Pilotinnen nachkommen, Anschieberinnen an die Lenkseile wechseln, und die lernen genau so schnell wie unsere Frauen."

Zumal Jamankas Defizit, die Geschwindigkeit am Start, nicht wirklich wegtrainiert werden kann, es ist Veranlagung. Auch der deutsche Verband wird daher weiter versuchen, starke Anschieberinnen zu Pilotinnen auszubilden. Die wichtigste Rolle spielt dabei Drazek, die momentan stärkste Frau auf den ersten Metern.

Sie müsse sich erholen, sagt Spies, denn auch sie hatte sich kurz vor dem Rennen verletzt und war zunächst untröstlich angesichts des vierten Platzes: "Und dann versuchen wir, sie schon im nächsten Winter an die Lenkseile zu setzen. Sie muss dann selbst entscheiden, ob das etwas für sie ist. Wir werden sie voll unterstützen." Denn das Rennen um den nächsten Olympiasieg hat längst begonnen.

(sid/dpa)
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