Teure Schanzen, billige Arbeiter Protz und Probleme bei Sotschis Mega-Bauten

Sotschi/Köln · Die olympischen Sportstätten in Sotschi sind hochmodern, futuristisch und mitunter protzig. Doch vor allem sind sie unfassbar teuer und werfen jede Menge Fragen auf.

Die Sportstätten von Sotschi
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Foto: dpa, Hans Klaus Techt

Sprungschanzen als Millionengrab, Hungerlöhne für die Bauarbeiter, aber auch das Bemühen um kurze Wege und Nachhaltigkeit: Die aus dem Boden gestampften Sportstätten in Sotschi und die fragwürdigen Umstände ihres Baus tragen maßgeblich zur weltweiten Kritik an den Olympischen Winterspielen in Sotschi bei. Letztendlich erwarten den Besucher hochmoderne, futuristische Arenen - die allerdings nicht nur Menschenrechts-Organisationen, sondern sogar Wladimir Putin auf die Palme brachten.

Als Sotschi im Jahr 2007 den Zuschlag für die Spiele erhielt, wurden die Kosten noch auf 12,2 Milliarden US-Dollar (ca. 9 Milliarden Euro) geschätzt, vergleichbar dem Budget der Winterspiele 2010 in Vancouver. Doch diese Zahl ist längst Geschichte. Inzwischen hat der Etat die 50 Milliarden (ca. 37 Milliarden Euro) überschritten, fünfmal höher als geplant. Sogar das Budget der Sommerspielen 2012 in London wurde locker in den Schatten gestellt, Sotschi verschlingt mehr als das Zweieinhalbfache.

Größtes Ärgernis waren die Skisprungschanzen. Zwei Jahre Verspätung und eine Kosten-Explosion von knapp 35 Millionen auf 230 Millionen Euro brachten sogar Wladimir Putin auf die Palme und führten zur Entlassung von NOK-Vize Achmed Bilalow. "Der Kerl ist Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees und lässt solche Verzögerungen zu? Gute Arbeit! Gehen wir weiter", sagte Russlands Präsident im Februar 2013 vor laufenden Kameras, als er die Anlagen in Krasnaja Poljana besuchte. Einen Tag später musste Bilalow gehen. Zu allem Überfluss kam auch noch heraus, dass der Hang abrutscht. Besonders viele Jahre dürften die Schanzen kaum überleben.

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Foto: ZDF/Jürgen Detmers

"Das kommt vom Mangel an Zeit für geologische Untersuchungen. Die Schanzen stehen in einem Gelände, das abrutscht. Ich sage immer scherzhaft: Die Schanzen werden in zehn Jahren nicht mehr oben am Berg stehen, sondern unten am Meer", sagte der Schweizer Gianfranco Kasper, Chef des Ski-Weltverbandes FIS und langjähriges IOC-Mitglied, im SID-Interview. Die Kosten seien "einfach ein Wahnsinn", sagt Kasper: "Wir wollen sicher gute, schöne Anlagen, aber die sollen nicht Milliarden kosten. Das macht den Sport kaputt, das sehen wir ganz klar."

Für negative Schlagzeilen sorgten zudem die Bedingungen auf den Baustellen. Die Organisation Human Rights Watch forderte in ihrem 67-seitigen Bericht: "Die Welt sollte nicht jubeln über Winterspiele in Russland, die auf einem Fundament von Ausbeutung und Missbrauch gebaut werden." Kritikpunkte waren unter anderem Stundenlöhne von ein bis zwei Euro, zwölfstündige Arbeitstage, kaum Freizeit und schlechte Verpflegung.

Das Resultat kann sich, ganz wie von Putin gewünscht und daher wenig überraschend, dennoch sehen lassen. Elf hochmoderne Sportstätten warten auf Sportler und Zuschauer aus der ganzen Welt. Sechs Arenen befinden sich direkt am Schwarzen Meer auf dem Gelände des Olympiaparks und sind per Fußweg miteinander verbunden. Die übrigen fünf liegen in Krasnaja Poljana etwa 70 Kilometer östlich von Sotschi gelegen auf 600 Metern Höhe.

Frage der Nachhaltigkeit

Schwieriger wird es bei der Frage der Nachhaltigkeit. Fast alle Hallen oder Stadien sollen auch nach Olympia genutzt werden können, einige können sogar abgebaut und in anderen Städten neu errichtet werden. Für die Schaiba-Eisarena etwa, während der Spiele Schauplatz von Eishockey-Spielen, haben angeblich Krasnodar und Nischni Nowgorod Interesse angemeldet. Ob es so kommt, bleibt fraglich.

Auch der futuristische "Eiswürfel" soll als Curling-Arena in einer anderen Stadt erhalten bleiben, die Adler-Arena (Eisschnelllauf) ist bereits als Messehalle verplant. Die Zukunft des Eispalastes, der wie ein gefrorener Wassertropfen aussieht und den 4000 Glühbirnen auf der Außenhaut zum Leuchten bringen, ist noch offen. Unter dem Strich scheinen so viele Stadien in einer kleinen Stadt wie Sotschi keinen tieferen Sinn zu ergeben. Auch das künftige Formel-1-Rennen in der Stadt wird daran nichts ändern.

Das Olympiastadion wird sogar WM-Fußball zu sehen bekommen. Die 40.000-Mann-Arena, in der ausschließlich die Eröffnungs- und Schlussfeier stattfinden, ist als Spielstätte für die Endrunde 2018 vorgesehen. Dabei ist Sotschi alles andere als eine Fußballstadt. Der Klub Schemtschuschina Sotschi, zwischen 1993 und 1999 Erstligist, ist nach seinem finanziellen K.o. längst in der Versenkung verschwunden. Ein permanenter Nutzer für die Arena ist nicht in Sicht.

Auch in Sotschi werden nach Olympia also wohl "weiße Elefanten" das Bild bestimmen - wenn sie bis dahin nicht abgerutscht sind.

(sid)
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