Spektakel bei den Paralympics Eishockey auf Schlitten

Vancouver (RPO). Neulinge beim Sledge-Hockey schütteln meist raunend den Kopf. Manch einer dreht sich sogar gänzlich zur Seite, bevor es mal wieder mächtig kracht. Kanada gegen Norwegen, mit 5:0 eine klare Sache für die Gastgeber, aber freiwillig überlässt dem Gegner bei diesem Spiel niemand den Puck.

 Die Zuschauer sind vom Sledge-Hockey begeistert.

Die Zuschauer sind vom Sledge-Hockey begeistert.

Foto: CP, AP

Also verkeilen sie sich ineinander, unzählige Male, oder sie schlagen und überschlagen sich, um anschließend wenigstens noch von der Bande gebremst zu werden. Den rund 7000 Zuschauern in der ausverkauften Thunderbird Arena auf dem Campus der Universität gefällt das.

Eishockey ist der Nationalsport der Kanadier — ganz egal, auf wie vielen Kufen er gespielt wird. Und so rechneten sie bei den Weltspielen der Behinderten ganz fest damit, dass ihrem Team der ersehnte Hattrick gelingen würde. Nach dem Olympiasieg der Männer und Frauen sollte nun auch Gold im Sledge-Hockey folgen. Doch gestern Abend Mitteleuropäischer Zeit zerplatzte der kanadische Traum vom Turniersieg: Im Halbfinale unterlag die Mannschaft des Gastgebers sensationell den Japanern mit 1:3, die vor Freude weinten.

Sledge-Hockey ist der paralympische Bruder von Kanadas Sportart Nummer eins und wird in einem Schlitten aus Aluminium gespielt. Die Sportler sind darauf festgeschnallt, und an der Sitzschale aus Plastik ist eine doppelte Kufe befestigt, auf der die Athleten mit reichlich Geschwindigkeit über das Eis gleiten. Mit den verkürzten Schlägern können sie nicht nur zupassen oder schießen, sondern sich auch abstoßen. Dabei helfen Dornen am hinteren Ende, die sich in das Eis bohren können.

Gespielt wird nach den Regeln wie beim Eishockey. Das bedeutet, dass es eben auch mal wehtun kann. Norwegen bekam das besonders zu spüren. Ein Bodycheck heißt in diesem Fall, dass sich die Schlitten rempeln oder gar über den Haufen fahren.

Deutschland nicht dabei

Wie gerne hätte auch Deutschland mitgemischt. Doch das Team, das bei der ersten EM 2005 in Tschechien direkt Europameister und bei den Winterspielen in Turin Vierter wurde, verpasste knapp die Qualifikation. Zudem rutschte Deutschland bei der letzten WM in Ostrava in die B-Gruppe ab und hat frühestens 2012 die Chance zurückzukehren. Das Team rekrutiert seine Spieler aus mittlerweile sechs Mannschaften, die in einer im Jahr 2000 gegründeten Liga um die Deutsche Meisterschaft spielen.

Dort gehören Vereine aus Langenhagen, Wiehl oder Kamen dazu. Organisiert wird der Spielbetrieb vom Deutschen Rollstuhlsportverband. Immer wieder betont der deutsche Chef de Mission, Karl Quade, dieser Tage, dass er diese Sportler gerne in Vancouver gehabt hätte. "Weil es eine tolle Mannschaft ist", aber vielleicht auch, weil der Sport in Kanada so wahnsinnig viel Öffentlichkeit genießt. Und gerade diese Plattform Paralympics hätten die deutschen Sledge-Hockey-Spieler wunderbar nutzen können, um auch für sich und den Behindertensport zu werben.

Das Beispiel Kanada zeigt, dass die Behinderung den Sportlern nicht schadet. Sie sind Idole. Die Zeitungen widmen ihnen ganzseitige Geschichten, und ihre Begegnungen waren schon Monate vor dem Beginn der Spiele ausverkauft. Seit dem Nordamerika-Cup 2009 werden diese sogar landesweit im Fernsehen übertragen. Die Sportart Sledge-Eishockey, die in den 70er Jahren in Schweden entwickelt wurde, gehört seit 1994 zu den Paralympics. Mit Kanadas Niederlage gegen Japan hatten die Winterspiele in Vancouver gestern eine Riesenüberraschung.

(RP)
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