Paralympics Peinlicher Abschluss der Spiele in Sotschi

Sotschi · Russen verstoßen gegen Gepflogenheiten und lassen Regierungsmitglied bei Schlussfeier sprechen.

Paralympics 2014 in Sotschi: Die Abschlussfeier
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Paralympics 2014 in Sotschi: Die Abschlussfeier

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Foto: dpa, sc hm

Am Tag danach kann sich Friedhelm Julius Beucher noch immer in Rage reden, wenn er an das Verhalten von Philip Craven denkt, den Präsidenten des Internationalen Paralympischen Komitees, des IPC. Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), weiß, dass Craven nichts gegen russische Großmachtsfantasien ausrichten kann, trotzdem hat er sich eine Haltung gewünscht, die zumindest Raum für Interpretation lässt: "Ich bin enttäuscht von Herrn Craven. Eine Jubelarie nach der andern abzuspulen, gehört sich nicht angesichts der Lage. Von einem Briten, dem Demokratie wichtig ist, hätte ich mehr erwartet."

Craven hatte die Winterspiele in Sotschi während der Abschlussfeier als beste Paralympics aller Zeiten bezeichnet. Tausende Zuschauer im Fischt-Stadion applaudierten, auch der russische Präsident Wladimir Putin. Ans Mikrofon trat auch der stellvertretende Ministerpräsident Dmitri Kosak. Dass Politiker statt Organisationsleiter in diesem Rahmen sprechen, ist ungewöhnlich. Zeitgleich wurden erste Ergebnisse des Krim-Referendums bekannt, das westliche Politiker als illegal bezeichnet haben. Während Putin ein Feuerwerk bestaunte, bereiteten sich ukrainische und russische Soldaten auf eine Eskalation auf der Halbinsel vor.

Der Sozialdemokrat Beucher wird im Juli 68 Jahre alt, von 1990 bis 2002 hat er im Bundestag gesessen, davon die letzten vier Jahre als Vorsitzender des Sportausschusses. Der Bergneustädter hat seine berufliche Laufbahn hinter sich, er muss niemandem mehr gefallen. Unter der Woche hatte er eine Essenseinladung des russischen Präsidenten an Paralympische Komiteechefs abgelehnt. Und er wollte Kollegen aus anderen Ländern überzeugen, es ihm gleichzutun. Einige waren seiner Meinung und zeigten das auch, andere hielten sich zurück. Das norwegische Komitee zum Beispiel wollte keine Unruhe stiften, denn Oslo hofft auf die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022.

Beucher sagt, dass es Wiederholungen dieser Art nicht geben dürfe. Das Internationale Olympische Komitee müsse seine Vergaberichtlinien stärker an Menschenrechtsfragen ausrichten. "Zurückhaltung bedeutet Zurückweichen", sagt Beucher, auch mit Blick auf Thomas Bach, den neuen Präsidenten des IOC. Bach hatte am Eröffnungstag der Paralympics mit Putin lächelnd Champagner getrunken.

(RP)
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