Snowboard-Wettbewerb wird zur Farce Olympische Wind-Spiele

Pyeongchang · Snowboarder werden von Böen erfasst, verletzen sich und kritisieren den Weltverband. Extremes Wetter ist für Südkorea aber nicht ungewöhnlich, sagt Meteorologe Sven Plöger.

Olympia 2018: Snowboarderinnen stürzen im Slopestyle-Finale
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Snowboarderinnen stürzen im Slopestyle-Finale

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Foto: rtr, MDA/TC

Die Norwegerin Silje Norendal ist mit den Nerven am Ende: "Ich wollte mich da oben einfach nur noch hinsetzen und weinen. Mein Körper hat zwei Stunden lang gezittert, weil ich Angst hatte zu fahren", sagt sie unter Tränen. Denn im Phoenix Snow Park in Südkorea pfiff der Wind mit Böen von bis zu 100 km/h. Schließlich traute sie sich, wurde in der Snowboard-Disziplin "Slopestyle" Vierte und kam mit dem Schrecken davon. "Ich weiß gar nicht mehr, was während des Laufs passiert ist, weil ich Angst um mein Leben hatte." Weniger Glück hatten Tess Coady (Australien), die einen Kreuzbandriss erlitt, und der Niederländer Niek van der Velden (Oberarmbruch). Beide führten ihre Stürze auf den Wind zurück.

Schon vor dem Wettkampf ereilte die deutsche Snowboarderin Silvia Mittermüller dasselbe Schicksal. Sie stürzte im Probelauf schwer und musste ihren Traum von einer Olympia-Teilnahme begraben. "Ich habe eine Windböe abbekommen, dadurch den Sprung versemmelt und mich am Knie verletzt", sagt Mittermüller über ihre Fahrt. Die Diagnose im Krankenhaus: Meniskuseinriss! Trotz des Sturzes wurde der Wettkampf der Snowboarderinnen gestartet. "Das war unverantwortlich", sagt Mittermüller, die zusehen musste, wie ihre Kolleginnen in den Schneeverwehungen ebenfalls stürzten. Die Rennen der Skifahrer hingegen wurden auf Donnerstag verschoben.

Sven Plöger: "Für die Region und die Jahreszeit nicht ungewöhnlich"

Diplom-Meteorologe und ARD-Wettermann Sven Plöger hat eine Erklärung für die aktuelle Wetterlage in Südkorea. "Es befindet sich ein kräftiges Kälte-Hoch über China und Russland, während der Luftdruck über Japan und dem Meer niedrig ist", sagt Plöger im Gespräch mit unserer Redaktion. Südkorea befinde sich genau zwischen diesen beiden Wetterfronten. "Dadurch entstehen eisige Nordwestwinde, die kalte Luft mit hohen Geschwindigkeiten nach Korea bringen", erläutert Plöger. Windböen von bis zu 100 km/h und zweistellige Minusgrade seien bei dieser Wetterlage problemlos möglich "und für die Region in der Jahreszeit nicht ungewöhnlich".

Zur Durchführbarkeit der Wettbewerbe will sich der Wetter-Experte aus der Ferne kein Urteil erlauben. Er stellt jedoch fest: "Es ist vollkommen klar, dass ein so starker Wind Einfluss auf einen relativ leichten Sportler hat, der selbst mit beträchtlicher Geschwindigkeit unterwegs ist." Deshalb sei die Verschiebung der Ski-Alpin-Rennen "aus meteorologischer Sicht absolut richtig" gewesen.

"Eine Schande für unseren Sport"

Dass diese Entscheidung nicht genauso für die Wettbewerbe der Snowboarder getroffen wurde, ruft harte Kritik hervor. "Es war ziemlich gefährlich. Sie hätten es absagen oder verschieben sollen", sagt die Bronzemedaillen-Gewinnerin Enni Rukajarvi aus Finnland. Der Sportdirektor von Snowboard Germany, Stefan Knirsch, fordert den Weltverband FIS zum Handeln auf. "Wir müssen gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, unsere Athleten besser zu schützen", sagt Knirsch. Der Verband verteidigte die Entscheidung. In einer Stellungnahme heißt es, dass die Wetterbedingungen "innerhalb der Grenzen" gewesen seien. "Ich glaube nicht, dass es ein echtes Spiegelbild von Frauen-Slopestyle war. Das ist eine Schande für unseren Sport", entgegnet die britische Snowboarderin Aimee Fuller. Sie war im zweiten Lauf gestürzt.

Schon am Wochenende hatten auch Athleten anderer Sportarten mit dem Wetter zu kämpfen. Ski-Springer Simon Amman wartete beim Wettkampf von der Normalschanze fünf Mal vergeblich auf grünes Licht. Insgesamt zehn Minuten musste er bei minus elf Grad und starken Windböen auf der Schanze ausharren. "Wenn ich dort oben nicht sauer geworden wäre, wäre ich wahrscheinlich auf dem Balken festgefroren. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass sich meine Beine beim Absprung nicht mehr bewegen", schrieb der viermalige Olympiasieger nach dem mehrfach unterbrochenen Wettbewerb bei Facebook.

Die gute Nachricht für alle Olympioniken: Besserung ist in Sicht. "Ab Donnerstag lässt der Wind nach. Dann gibt es nur noch Böen bis maximal 50 km/h", sagt Plöger. So könnten aus den Wind-Spielen von Pyeongchang wieder echte Winter-Spiele werden.

(kron)
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