Kolumne: Olympischer Gedanke Sotschi präsentiert sich wie ein Adventskalender

Da die Bauunternehmen den Auftakt der Olympischen Spiele als ungefähren Termin der Fertigstellung verstanden haben, gibt es jeden Tag eine neue Überraschung. Wer im kommenden Monat zu den Paralympics ans Schwarze Meer kommt, wird dann wohl perfekte Bedingungen vorfinden.

Die Sportstätten von Sotschi
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Die Sportstätten von Sotschi

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Foto: dpa, Hans Klaus Techt

Ja, ich war's. Ich gebe es zu. Ich habe den Aufzug im zweiten Trakt des Gebäudekomplexes Granat im Hotel Russkiye Dom im Stadtteil Adler in der Stadt Sotschi in der Region Krasnodar in Russland in der Südostecke Europas kaputt gemacht. Ich habe ihn per Knopfdruck in den fünften Stock gerufen. Er kam. Doch die Tür öffnete sich nicht. Der Aufzug fuhr nicht mehr rauf und nicht mehr runter. Seitdem müssen alle Menschen, die in den fünften oder sechsten Stock wollen, das Treppenhaus nutzen. Unter olympisch-sportlichen Aspekten vielleicht gar nicht schlecht ...

Da die Russen wie die Amerikaner das Erdgeschoss als erste Etage bezeichnen, ist es nicht ganz so schlimm, wie wenn das in Deutschland passiert wäre, wo das Erdgeschoss noch das Erdgeschoss ist. Blöd ist es aber doch. Und ja, ich bin schuld.

Allerdings bin ich auch dankbar dafür, dass ich den Aufzug von außen und nicht von innen kaputt gemacht habe. Sonst würde ich dort vermutlich immer noch hocken, weil es kein Aufzugtelefon gibt und ich die kyrillische Schrift der Notfallanweisungen nicht lesen kann.

Es ist ja viel geredet, geschimpft und gealbert worden über die nigelnagelneuen Unterkünfte in Sotschi. Hier bei mir ist alles in Ordnung. Wachleute und hohe Zäune sorgen dafür, dass man keine Angst um Leib und Leben haben muss. Das Bett ist schmal aber bequem, darüber hängt das Bild eines Sonnenuntergangs am Meer und nicht das Porträt Putins. Der drahtlose Internet-Zugang funktioniert, der Fernseher bietet 1001 russische Programme und zum reichhaltigen Frühstücksangebot gehören mit Kohl gefüllte Pasteten (an die ich mich morgen ganz bestimmt mal rantraue). Die Sicht reicht vom Zimmer in die schneebedeckten Berge. Hier fehlt nur vum Balkon die Aussicht op d'r Dom, mag mancher Rheinländer denken.

Der Geruch frischer Farbe weicht allerdings nur langsam aus meinem Miniraum. Und im Badezimmer sieht es aus, als sei mal einer durch den Baumarkt gezogen und habe seine Einkäufe Pi-mal-Daumen eingebaut. Die Lücken kann man ja mit Silikon und reichlich Bauschaum füllen. Weitere kleiner Makel: Die Handtücher sind neu und noch so voll Appretur, dass das Abtrocknen einige Mühe bereitet.

Die Kollegen, die in den Bergen wohnen, haben mehr Überraschungen erlebt als wir hier unten an den Gestaden des Schwarzen Meeres. Elektrizität, warmes Wasser und Internet-Zugang wurden Tag für Tag nachgeliefert. Das Frühstück gab es gern mal im Nachbarhotel gereicht. Den Starttermin der Olympischen Spiele haben die Bauunternehmen als ungefähren Termin zur Fertigstellung verstanden.

Doch es geht voran, so ist zu hören. Die ersten sprechen davon, bei Olympischen Spielen noch nie so gut untergebracht gewesen zu sein wie dieses Mal im kaukasischen Retortenort. Glaubwürdige Zeitgenossen berichten sogar von vollausgestatteten Fitnessstudios, die sich jetzt öffnen. Einem Kollegen steht auf einmal ein Hallenbad mit 20-Meter-Bahn zur Verfügung. Es ist wie im Advent: Jeden Tag nach dem Aufstehen gibt es hinter einem Türchen eine neue Überraschung.

Glücklich können sich die Russland-Reisenden schätzen, die sich für die Paralympics im kommenden Monat eingebucht haben. Krasnaja Poljana wird dann gewiss der Himmel auf Erden sein.

(RP)
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