Interview mit Paul Breitner "FC Bayern kann sich nur selbst schlagen"

Düsseldorf · Im Halbfinale der Champions League trifft der Titelverteidiger auf Real Madrid. Der heutige Münchner Markenbotschafter hat dort von 1974 bis 1977 gespielt. Am Samstagabend (18.30 Uhr/Live-Ticker) empfangen die Bayern in der Bundesliga den Tabellenzweiten Dortmund.

Paul Breitner: Der FC Bayern München kann sich nur selbst schlagen
Foto: dpa, Marcus Brandt

Herr Breitner, Sie sind geschäftlich viel unterwegs. Was tragen Sie im Flugzeug beim Einreiseformular unter Beruf ein?

Breitner Geschäftsmann. Das ist alles und nichts — da brauchst du nie viel zu erklären.

Sind Sie nicht mehr Chef-Scout des FC Bayern?

Breitner Das mit dem Scout ist wirklich totaler Unsinn. Da kam vor sieben Jahren irgendwer drauf, als ich wieder angefangen habe, für den FC Bayern zu arbeiten. Natürlich haben ich mir seither auch die eine oder andere Partie angeschaut und meinen Senf zu einem interessanten Spieler abgegeben. Mehr nicht. Wissen Sie, wir scouten nicht für unsere Profiabteilung. Über Spieler wie Franck Ribéry oder Thiago ist alles bekannt. Da geht es am Ende um andere Dinge. Wenn wir scouten, dann ist das im Jugendbereich.

Und was machen Sie nun für den deutschen Rekordmeister?

Breitner Ich bin als Markenbotschafter dafür zuständig, den Verein zu repräsentieren. Neulich war ich für den Klub bei der Verleihung des Laureus-Awards in Kuala Lumpur, ein Wochenende später habe ich dann eine Gruppe von einem unserer Werbepartner im Stadion betreut. Ich bin gerne unterwegs und habe Spaß daran, sonst würde ich noch vorgestern damit aufhören.

Was ist das für eine Beziehung zwischen Ihnen und dem FC Bayern?

Breitner Eine sehr aufgeräumte. Ich bin mit dem FC Bayern in jeder Hinsicht quitt. Ich war in den 23 Jahren, in denen ich nichts für den Klub gemacht habe, glücklich und bin es jetzt, wo ich mich wieder engagiere. Ich habe dem FCB sehr viel gegeben und der FCB auch mir. Wir haben uns also schon sehr oft geholfen.

Sind Sie jetzt auch mit Manchester United quitt, das von München im Viertelfinale der Champions League bezwungen wurde?

Breitner Wir können noch 100 Mal gegen Manchester gewinnen. Diese Niederlage von Barcelona 1999 wird dadurch nicht vergessen sein.

Hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt am vergangenen Mittwoch Sorge, die Engländer könnten Ihnen erneut ein Trauma bescheren?

Breitner Unter normalen Umständen nicht, und deshalb sind wir verdient weiter. Bis zum 0:1 konnten wir allerdings nur 80 Prozent unserer Leistungsfähigkeit abrufen. Danach haben wir uns auf 95 bis 97 Prozent gesteigert und verdient 3:1 gewonnen. Wir sind derzeit der einzige Gegner, der uns schlagen kann.

Sie haben einmal gesagt, Manuel Neuer, Philipp Lahm und Franck Ribéry seien die drei Spieler, die der FC Bayern nicht ersetzen könne. Alle anderen schon. Würden Sie mittlerweile auch Arjen Robben dazunehmen?

Breitner Ich habe mir damals schon nach der Frage auf die Lippen gebissen. Denn natürlich klingt es so, als würde man nicht aufgezählte Spieler weniger wertschätzen, was aber Quatsch ist. Bei Ribéry ist es einfach so, dass ein Ausfall von ihm nicht zu 100 Prozent aufgefangen werden kann. Aber wir haben mittlerweile die Qualität im Kader, dass es uns zu 94 Prozent gelingt. Das ist auf diesem Niveau ein Wahnsinnswert. Sehen Sie, zu meiner Zeit standen 13 bis 14 Spieler im Kader, heute sind es 20 bis 22 mit enormen Qualitäten.

Nach dem Tripel wurde immer wieder betont, wie wichtig es sei, neue Reize zu setzen. Gibt es irgendetwas an Pep Guardiola zu bekritteln?

Breitner Nullkommanull. Das galt aber auch für seinen Vorgänger Jupp Heynckes. Manchmal hört es sich in den Medien so an, wir hätten mit Heynckes nicht weiter machen wollen. Das ist Unsinn. Es war bereits vor der Tripel-Saison mit ihm besprochen, egal wie es ausgeht, er hört auf. Als das klar war, haben wir uns auf dem Markt orientiert und den besten Mann als Nachfolger verpflichtet. Guardiola entwickelt weiter, was bei uns vor Jahren mit Louis van Gaal begonnen hat — ein ballbesitz-orientiertes Spiel. Heynckes hat das Ganze verfeinert und den Hochgeschwindigkeitsfußball bei uns etabliert. Guardiola setzt noch mehr auf die Variabilität.

Eine gerne im Spitzenfußball verwendete Beschreibung ist die Fokussierung auf den Beruf. Warum bedarf es dieser besonderen Betonung? Ein Malermeister wird auch nicht täglich auf seine Arbeit eingeschworen, sondern es wird von ihm erwartet, dass er sie bestmöglich erfüllt.

Breitner Deshalb ist es unser Bestreben, Spieler möglichst früh zu verpflichten, um ihnen genau diese Mentalität zu vermitteln. Als Berufsfußballer geht es nicht nur um Talent, es geht in der absoluten Spitzenklasse um den unbedingten Willen, Ziele zu erreichen. Jeden Tag. Beim FC Bayern musst du verinnerlichen, wir wollen jedes Spiel gewinnen, wir wollen jeden Titel gewinnen. Wenn wir eine Partie verlieren, brennt der Baum, nach zwei Niederlagen ist die Feuerwehr schon mit einem Großaufgebot bei uns. Bei allen anderen Vereinen darfst du auch mal verlieren. Es gibt sogar welche, die feiern sich dafür. Ich nenne lieber keinen Namen. Bei uns ist so etwas undenkbar.

Apropos Borussia Dortmund. In dieser Woche kam es zu einem heftigeren medialen Schlagabtausch zwischen BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und FCB-Präsident Karl Hopfner. Warum bekämpfen Sie sich so intensiv — die Meisterschaft ist doch längst entschieden?

Breitner Warum Herr Watzke sich in den Ring gestellt hat, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. In den vergangenen Jahren ist die Rivalität immer sauber und fair abgelaufen. Wenn aber einer wie Herr Watzke Unwahrheiten über den FC Bayern verbreitet, dann ist es geradezu unsere Pflicht, uns dagegen zu wehren. Was immer ihn geärgert oder frustriert hat — es ist nicht unser Problem.

Es ging unter anderem um eine Feststellung von Watzke, ein vom FC Bayern gewährtes Darlehen sei entgegen bisheriger Behauptungen nicht zinslos gewesen. Er hat mittlerweile seinen Irrtum eingeräumt.

Breitner Stimmt, ganz aus Versehen hat er sich da vertan. Natürlich. Ich hätte von ihm mehr Größe erwartet, nicht so ein Auftreten als schlechter Verlierer. Das ist ehrlich schade.

Welche Bedeutung hat die heutige Partie (18.30 Uhr) zwischen dem FC Bayern und dem BVB?

Breitner Es geht nur darum, ob wir Normalform erreichen, dann schlagen wir Dortmund. Wenn nicht, kann es eng werden. Ansonsten sind wir klar die Nummer eins. Darüber müssen wir ja nicht mehr reden.

Wie kann Robert Lewandowski, der zur neuen Saison von Dortmund nach München wechselt, den FCB noch weiter verbessern?

Breitner Verbessern? Das Wort hat bei uns nie jemand gesagt. Damit würden wir der Klasse von Spielern wie Mario Mandzukic und Claudio Pizarro nicht gerecht. Wir haben den wunderbarsten Kader der Welt, bei uns geht es maximal um Nuancen, um die Möglichkeit, noch unberechenbarer zu werden. Was wir brauchen, sind perfekte Ergänzungen zu unserem vorhandenen Personal. Wenn man Spielzeiten wie wir dominieren will, dann braucht man gleichstarke Spieler. Dafür brauchen wir einen wie Lewandowski.

Viele Konkurrenten ächzen ob der Dominanz des FC Bayern. Können Sie das Klagen verstehen

Breitner Alle, die von Langeweile reden, die hätten die Langeweile und Dominanz doch sehr gerne für ihren favorisierten Klub. Es gibt in Deutschland mehr als 15 Millionen bekennende Fans des FC Bayern. Ich kann es sehr gut verkraften, wenn die wenigen anderen sich auch schon mal über uns ärgern.

Philipp Lahm ist vom Außenverteidiger zum Mittelfeldspieler umgeschult worden. Ist so eine Umbesetzung im Kreise hoch spezialisierter Kräfte wirklich sinnvoll?

Breitner Wenn man eine Spielintelligenz wie Philipp hat, dann ja. Im heutigen Fußball ist ein Linksverteidiger nicht auf eine Position festgelegt. Er muss im Optimalfall Verteidiger, Mittelfeldspieler und Außenstürmer spielen können. Wenn man aus der Defensive kommt, dann sieht man, wie sich ein Spielzug aufbaut. Dieses Wissen ist wertvoll, wenn man, wie Lahm, das Spiel im Mittelfeld organisieren muss.

Auch in der Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien?

Breitner Ja. Lahm ist eine der Stützen des Teams.

Ein gutes Gefühl für das Turnier?

Breitner Deutschland ist einer der Favoriten. Aber am Ende spielen viele Faktoren eine Rolle, wenn es um die Vergabe des Titels geht.

Viele Weggefährten haben sich zum Fall Uli Hoeneß geäußert, Sie dagegen haben geschwiegen. Warum?

Breitner Weil es für mich keinen Grund gibt, etwas dazu zu sagen. Es ist schauerlich genug, wer sich aus welcher Profilneurose heraus zu Wort gemeldet hat. Ich werde nicht dazu gehören. Ich bitte das zu respektieren.

Unbestritten in Szene gesetzt haben Sie sich allerdings bei Ihrem einzigen Kinoauftritt. Warum hat es eigentlich nie eine Fortsetzung des Kult-Western "Potato Fritz" gegeben?

Breitner Der Film war so ein großer Kassenschlager, dass er nach vier Tagen wieder aus den Kinos verschwunden ist. Wohlgemerkt absolut verdient — es entsprach seiner Qualität. Zur Ehrenrettung dieses Streifens sei gesagt, weil zum Filmstart 1976 ein großer Streik alle Zeitungen im Land lahmgelegt hatte, wusste niemand von diesem Werk.

Wie ist es denn überhaupt zu dem Engagement gekommen?

Breitner Freunde von mir haben den Film gedreht, als ich bei Real Madrid gespielt habe. Die haben während der Dreharbeiten bei mir gelebt, und in meiner Freizeit bin ich dazugestoßen und habe meine sechs Sätze tapfer in die Kamera gesprochen. Für mich war das ein großer Spaß und eine gute Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren. Ich konnte trainieren, wie ich mich vor der Kamera bewegen muss. Dieses Wissen hat mir zumindest für meine weitere Karriere nicht geschadet.

GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH

DIE RHEINISCHE POST PRÄSENTIERT DIE "HERMES FAN TOUR" AM 19. APRIL IN MÖNCHENGLADBACH VON 11 BIS 18 UHR AM ALTEN MARKT. GAST BEIM TALK IST PAUL BREITNER.

(RP)
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