Gangneung Pechstein wertet WM-Silber als Genugtuung

Gangneung · Die fast 45-Jährige gewinnt Silber über 5000 Meter und nutzt den Triumph zur Abrechnung.

Das Alter ist nur eine Zahl. Als Geburtstagsgruß dient die Floskel jährlich tausendfach als Trost und Mutmacher für Mitmenschen, an denen die Zeit eben doch nicht spurlos vorbeigeht. Bei Claudia Pechstein scheint das anders zu sein. Bei der Einzelstrecken-WM der Eisschnellläufer in Südkorea lieferte Deutschlands Rekordolympionikin ein verblüffendes Zeugnis ihrer Leistungsfähigkeit ab - im biblischen Athleten-Alter.

Elf Tage vor ihrem 45. Geburtstag lief die fünfmalige Olympiasiegerin über 5000 Meter sensationell zu Silber. Nie war eine Eisschnellläuferin auf dem WM-Podest älter gewesen. "Mein Trainer Peter Mueller sagt: 'Du bist nicht alt, nur erfahren'", sagte Pechstein, die neben Sprinter Nico Ihle (Silber über 500 Meter/34,66 Sekunden) und Langstreckler Patrick Beckert (Bronze über 10.000 Meter/12:52,76 Minuten) für deutsches Edelmetall sorgte.

Nur 6:53,93 Minuten hatte die Berlinerin Pechstein für die längste Einzelstrecke bei den Frauen benötigt, einzig Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Martina Sablikova (Tschechien/6:52,38) war schneller. Pechsteins Leistungsexplosion war in dieser Form nicht zu erwarten. Sie lief die 5000 Meter so schnell wie seit sechs Jahren nicht mehr, als sie am 18. Februar 2011 nach Ablauf ihrer zweijährigen Sperre wegen erhöhter Blutwerte mit viel Wut im Bauch in Salt Lake City in den Weltcup zurückgekehrt war (6:51,62).

Im Moment des Triumphs blieb sich Pechstein treu. Im Ziel war ihr die Bronzemedaille bereits sicher, doch statt zu jubeln, hielt sie sich zunächst mahnend den rechten Zeigefinger vor den Mund und schickte eine eindeutige Botschaft an ihre Kritiker. "Das war für alle, die mir das nicht gönnen. Einfach mal die Klappe halten!", erklärte Pechstein die Aktion später im Gespräch mit dem niederländischen TV-Sender NOS.

Pechstein hat sich, und das ist wohl auch eine Begleiterscheinung des Alters, in einer langen Karriere nicht nur Freunde gemacht - vor, besonders aber nach ihrer umstrittenen Sperre, die einen jahrelangen Justizstreit nach sich zog. "Es gibt mittlerweile 700 saubere Dopingproben von mir. Erst wenn der Kampf gewonnen ist, dann steht eventuell das Karriereende an", sagte Pechstein. Pechstein wird in jedem Fall weiterlaufen, mindestens bis 2018, wo im Februar in Pyeongchang die Winterspiele stattfinden. "Ich mache mindestens noch einmal Olympia", versprach sie sich und ihren Kritikern.

(sid)
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