Tony Martin will Zeitfahr-Weltmeister werden Die pure Quälerei

Düsseldorf · Tony Martin kann am heutigen Mittwoch wieder Weltmeister werden. Am Dienstag gab es schon zweimal Gold im Zeitfahren für Deutschland.

Tony Martin will Zeitfahr-Weltmeister werden: Die pure Quälerei
Foto: dpa / Grafik C. Schnettler

Lennard Kämna hat's hinter sich. 29,5 Kilometer pure Quälerei, 36:13 Minuten gegen die Landstraße, gegen die Uhr, gegen den inneren Schweinehund. "Total müde und erschöpft, aber sehr glücklich", war der 18-Jährige, als er die Ziellinie im nordwestspanischen Ponferrada überquerte. Der Radrennfahrer aus Wedel an der Unterelbe ist Junioren-Weltmeister im Zeitfahren. Wie vor elf Jahren der Kaarster Markus Fothen, der seine Karriere im vergangenen Jahr bei Rennen in Neuss beendete. Lisa Brennauer (26) aus dem Allgäuließ im Einzelzeitfahren der Frauen die zweite Goldmedaille für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) folgen. Die Erfolge sind weitere Indizien dafür, dass es mit dem Radsport in Deutschland wieder aufwärts geht.

Und es wäre eine große Überraschung, wenn heute nicht der nächste Titel folgen sollte. "Nur der Sieg zählt. Alles andere wäre eine Enttäuschung", sagt Tony Martin, der als hoher Favorit auf die 47,1 Kilometer lange Strecke mit zwei fiesen Anstiegen geht.

Martin kann zum vierten Mal in Folge WM-Gold gewinnen und damit Fabian Cancellaras Bestmarke einstellen. Der Schweizer verzichtet auf den Kampf gegen die Uhr und startet nur im Straßenrennen am Sonntag. Cancellara kapituliert vor der Übermacht des gebürtigen Cottbusers, der wie kein anderer in der Lage ist, sich zu quälen. "Irgendwo als Kompliment" empfindet Martin den Startverzicht des Rivalen. Als schärfster Konkurrent gilt nun Bradley Wiggins. Doch der Brite ist längst nicht mehr in der Verfassung, in der er vor zwei Jahren die Tour de France gewann.

Martin wird im Rennen eins mit seiner Maschine. Er kontrolliert seinen Körper, weiß, wann er ans und wann er übers Limit gehen muss, um bis zum letzten Meter durchzuhalten. Er liebt die unnatürliche Haltung auf der Maschine: weit nach vorn gebeugt und die Schultern eng zusammengepresst. Er mag es, wenn man im Sattel nicht denken, sondern nur stampfen, stampfen, stampfen muss. Und zwar immer die dicken Gänge.

Außer Olympia-Gold hat Martin in seiner Spezialdisziplin bereits alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Und mit 29 Jahren hat er noch einiges vor sich. Sieben Einzelzeitfahren hat er in dieser Saison bereits für sich entschieden, darunter das bei der Tour de France. In Rennen, die mehr als 20 Kilometer betragen, ist er praktisch nicht mehr zu schlagen.

Im deutschen Fernsehen wird Martins Rennen nicht übertragen. Der Radsportsender Eurosport verzichtet auf eine Übertragung, weil die Rechte zu teuer waren. Und an der Strecke werden sich auch kaum Zuschauer einfinden. Stimmung kam an den ersten WM-Tagen in der Provinzstadt 300 Kilometer nordwestlich von Madrid nicht auf.

Ponferrada war der einzige Interessent an diesen Titelkämpfen. Der Weltverband UCI tut sich schwer, wenn es darum geht, seine wertvollste Veranstaltung zu vergeben. 2015 findet die WM im US-amerikanischen Richmond statt. 2016 ist Katar an der Reihe. Dort in der Wüste kann man sich beim Einzelzeitfahren besonders gut quälen.

(RP)
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