DDR-Radsportidol Schur wieder nicht in Hall of Fame aufgenommen

Köln · Die Jury der Hall of Fame hat dem DDR-Radsportidol Gustav-Adolf "Täve" Schur zum zweiten Mal die Aufnahme in die virtuelle Ruhmeshalle verwehrt. Ein Schlussstrich ist damit noch lange nicht gezogen.

 Gustav-Adolf "Täve" Schur steht mit einem Rennrad in einem Fernsehstudio in Magdeburg.

Gustav-Adolf "Täve" Schur steht mit einem Rennrad in einem Fernsehstudio in Magdeburg.

Foto: dpa, jew pzi jhe

Gustaf-Adolf "Täve" Schur bleibt aus der Hall of Fame ausgeschlossen, doch eine der emotionalsten Debatten der jüngeren deutschen Sportgeschichte geht weiter. Nachdem die Jury dem 86 Jahre alten DDR-Radsportidol am Freitag schon zum zweiten Mal nach 2011 die Aufnahme in die Ruhmeshalle des deutschen Sports verwehrt hatte, schlugen die Emotionen weiter hoch. Der Fall bricht 27 Jahre nach der Wiedervereinigung tiefe Gräben neu auf - und soll nun eine neue Diskussion über den Umgang mit der Vergangenheit des deutschen Sports entfachen.

"Wir haben verantwortungsvoll versucht, Brücken zu bauen, um ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung zu einer sachgerechten Bewertung beizutragen. Nach diesem Ergebnis ist eine grundsätzliche Diskussion zu den Zielen der Hall of Fame wichtiger denn je", teilte DOSB-Präsident Alfons Hörmann auf SID-Anfrage mit.

Die Stiftung Deutsche Sporthilfe, neben dem DOSB die Hauptträgerin der Hall of Fame, hält eine Neustrukturierung der virtuellen Ruhmeshalle für unabdingbar. "Schur ist nicht gewählt worden, und es wird in dieser Weise keinen dritten Anlauf geben. Denn die Sporthilfe ist überzeugt, dass man der gesamten Diskussion um die deutsche Sport-Vergangenheit nur versuchen kann gerecht zu werden, wenn man sich nochmals sehr grundsätzlich mit der Thematik auseinandersetzt", sagte Sporthilfe-Chef Michael Ilgner bei der Bekanntgabe der Entscheidung am Freitag.

Die nach wie vor unverändert hitzige Auseinandersetzung zwischen Pro- und Contra-Lager im Fall Schur lässt erahnen, wie schwierig Brückenschläge derzeit sind. "Ich halte diese Entscheidung für einen kapitalen Fehler. Es wurde die Chance vertan, einen großen Sportsmann noch zu Lebzeiten in die Hall of Fame aufzunehmen", sagte Andreas Silbersack. Der Präsident des Landessportbundes Sachsen-Anhalt hatte die zweite Schur-Nominierung angeregt und sich dafür die Unterstützung aller LSB-Bosse gesichert. Es sei "keine gute Entscheidung für die gemeinsame Sportgeschichte und die Frage des Zusammenwachsens", ergänzte Silbersack.

Nicht nur bei dem Rechtsanwalt aus Halle/Saale geriet die zeitgleiche Aufnahme der neuen Hall-of-Fame-Mitglieder Heike Drechsler, Sven Hannawald, Franz Keller und Lothar Matthäus (insgesamt sind es nun 108) zu einer Randnotiz. "Wie mit Täve Schur umgegangen wurde, das hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen können", sagte Silbersack.

Vor allem eine Aussage von Hall-of-Fame-Initiator und Ex-Sporthilfe-Chef Hans-Wilhelm Gäb sei für ihn "weit über das Erträgliche" hinausgegangen, Gäb habe "Nazi-Deutschland und die DDR auf untragbare Weise gleichgesetzt".

Gäb hatte erklärt: "Kein Mensch käme auf die Idee, einen im Sport erfolgreichen Nazi, wenn er auch heute noch die Untaten des Regimes verherrlichte, in die Hall of Fame aufzunehmen. Warum dann Schur, der mit 86 Jahren immer noch als Propagandist einer Diktatur auftritt, die erwiesenermaßen Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat?"

Schur selbst trug mit einem Interview tatkräftig dazu bei, dass sich die Debatte in den anderthalb Wochen seit der Bekanntgabe seiner Nominierung kontinuierlich hochschaukelte. Der einst populärste Sportler des Ostens verharmloste die Doping-Geschichte der DDR konsequent. Den DDR-Sport als kriminell zu bezeichnen, sei "völliger Quatsch", sagte er und verwies darauf, dass "wir in der DDR keine Doping-Toten hatten, anders als im Westen".

Silbersack heiße die Äußerungen von Schur, der sich schon häufig in ähnlicher Form zu Wort gemeldet hat, "nicht gut", an der Sache änderten diese aber nichts: "Wenn ein einzelnes Interview über eine Lebensleistung entscheidet, dann muss sich die Jury schon fragen lassen, ob das angemessen ist."

Dagmar Freitag, die Sportausschussvorsitzende im Deutschen Bundestag, sah dies anders: "Die Jurymitglieder verfügen offenkundig über mehr sportpolitischen Instinkt als die Präsidenten der Landessportbünde." Ines Geipel, die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins und eine der größten Kritikerinnen Schurs, zeigte sich erleichtert. "Nach einer intensiven Diskussion ist die Jury ihrem Wertekodex gefolgt. Das ist sehr zu begrüßen", sagte Geipel.

(sid)
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