Marcel Kittel Ein Gewinner der Tour — mit einer bitteren Erkenntnis

Düsseldorf · Die Tour de France bleibt unberechenbar. Der Traum vom Grünen Trikot ist für Marcel Kittel kurz vor dem Ziel in Paris nach einem Sturz abrupt zerplatzt. Mit fünf Etappenerfolgen hat er der Rundfahrt trotzdem seinen Stempel aufgedrückt. Nur dem verpassten Grünen Trikot wird er nachtrauern – die Chance wird vermutlich nicht so schnell wieder kommen.

Tour de France 2017: Marcel Kittel quält sich nach Sturz
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Kittel quält sich nach Sturz

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Die Tour de France bleibt unberechenbar. Der Traum vom Grünen Trikot ist für Marcel Kittel kurz vor dem Ziel in Paris nach einem Sturz abrupt zerplatzt. Mit fünf Etappenerfolgen hat er der Rundfahrt trotzdem seinen Stempel aufgedrückt. Nur dem verpassten Grünen Trikot wird er nachtrauern — die Chance wird vermutlich nicht so schnell wieder kommen.

Was bleiben wird, ist die Erkenntnis, dass Kittel (Quick-Step Floors) ohne Zweifel in Top-Form der beste Sprinter seiner Generation ist. Fünf Etappenerfolge bei dieser Tour de France sind die eine Sache, die Art und Weise seiner Siege allerdings noch die viel größere. Man kann es schlicht als sportliche Demütigung bezeichnen, wie Kittel die Sprintankünfte und die Konkurrenz dominierte. In den französischen Medien bekam er dafür den Spitznamen "Le Kaiser" — ein Name, den nur große Sportler erhalten.

"Marcel ist im Moment auf einem anderen Planeten, was Explosivität und Schnelligkeit angeht. Keiner ist in der Lage, ihn Mann gegen Mann zu schlagen", erklärte vor wenigen Tagen noch sein Landsmann John Degenkolb (Trek-Segafredo).

Diese Erkenntnis wird aber erst wieder reifen müssen bei Kittel. Kurz nach seinem sturzbedingtem Aus überwog die Enttäuschung und Machtlosigkeit aufgrund der Umstände. "Ich weiß nicht wirklich, wie ich meine Gefühle beschreiben soll. Es ist eine Riesenenttäuschung — immer noch", erklärte er am Abend der 17. Etappe nach Serre Chevalier vor seinem Mannschaftshotel, dem letzten Abend für ihn bei dieser Tour. Bei dem Sturz zog er sich Prellungen und Schürfwunden an der Schulter und am Knie zu. Fast zwei Stunden kämpfte er verbissen und abgehangen während der Etappe weiter, ehe es vor Schmerzen nicht mehr weiterging. "Ich wollte im Grünen Trikot nicht aufgeben. Ich hatte den Ehrgeiz und die Motivation, durch den Tag zu kommen. Irgendwann hat mich aber die Realität eingeholt", so der Arnstädter.

Peter Sagan im Kampf um Grün unbezwingbar

Kittel wurde Opfer der unberechenbaren und grausamen Seite der Tour, die auch für den großen Namen nicht haltmacht. Ein Moment der Unachtsamkeit im Feld, ein Sturz — und alles ist vorbei. Im Fall von Kittel bedeutete es das abrupte Ende nach mehr als 16 Tagen zwischen Erfolg und extremer Schinderei, und stets mit der berechtigten Hoffnung verbunden, erstmals das Grüne Trikot in Paris zu gewinnen.

Noch vor drei Tagen am zweiten Ruhetag in Le Puy-de-Velay hatte Kittel öffentlich das Trikot als großes Ziel erkoren: "Das Grüne Trikot wäre ein Traum, der wahr werden würde. Ein Traum, den ich eigentlich schon abgehakt hatte." Denn ernsthafte Gedanken an das begehrte Sprintertrikot waren vor der Tour eigentlich verboten. Peter Sagan (Bora-hansgrohe) hatte die Wertung fünf Jahre infolge mit großem Vorsprung gewonnen, sein sechster Sieg in Serie galt aufgrund seiner Allrounder-Fähigkeiten als sicher. Sagan gewinnt Punkte, wo Kittel keine holt: auf den Bergetappen. 2016 holte der Slowake dadurch beinahe doppelt so viele Punkte wie der Deutsche. Das wird auch in Zukunft so sein.

"Der Stolz übersteigt irgendwann die Enttäuschung"

Nach dem kontroversen Ausschluss von Sagan durch eine Jury-Entscheidung nach der 4. Etappe und dem Sturz von Mark Cavendish (Dimension Data) war sie unverhofft jedoch da, die große Chance auf das Grüne Trikot — als erster Deutscher seit Erik Zabel 2001. Mit jedem Etappenerfolg näherte sich Kittel dem Ziel und lag zwischenzeitlich über 100 Punkte vor seinem ärgsten Verfolger Michael Matthews (Sunweb). Zwar punktete der Australier im Gegensatz zu Kittel fleißig auf den Bergetappen und verkürzte den Rückstand regelmäßig, Kittels Aussichten blieben dennoch vielversprechend. Dieser Traum ist nun zerplatzt. 13 Tage trug Kittel das Trikot — nur der Franzose Cyrille Guimard musste 1972 noch später die Tour im Grünen Trikot beenden.

"Ich habe fünf Etappen gewonnen und es wäre falsch, jetzt mit einem schlechten Gefühl nach Hause zu gehen", versuchte Kittel dennoch das Gute herauszustellen. "Ich bin sicher, dass der Stolz irgendwann die Enttäuschung übersteigt."

Was für Kittel ebenfalls bleibt, ist der deutsche Rekord an Etappensiege bei der Tour de France. Kittel steht mit seinen fünf Tagessiegen nun bei 14 und überflügelte die bisherige Bestmarke von zwölf Erfolgen von Erik Zabel. Es ist davon auszugehen, dass er diese Zahl in den kommenden Jahren noch erheblich nach oben schrauben wird. Kittel ist erst 29 Jahre alt. Nur die Chance auf das Grüne Trikot wird voraussichtlich so schnell nicht wieder kommen. Es wird die bitterste Erkenntnis einer großartigen Tour für Kittel bleiben.

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