Tour de France Froome wird bespuckt und schimpft auf Nibali

Christopher Froome wurde bespuckt und beleidigt - und blieb dennoch diplomatisch: Die Freude über die geglückte Vorentscheidung im Kampf um den Gesamtsieg der 102. Tour de France wollte sich der britische Radprofi trotz erneuter Anfeindungen unter der Gürtellinie nicht nehmen lassen.

Angriffe auf das Fahrerfeld
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Foto: afp, AG

"Ich war heute wie im Tunnel, ich habe nichts mitbekommen", sagte Froome, der auf der Königsetappe der Alpen nicht zum ersten Mal geschmacklosen Aktionen der Zuschauer hilflos ausgeliefert war.

Knapp zwei Kilometer vor dem Ziel, als er nach Kräften den größer werdenden Rückstand auf seinen schärfsten Rivalen Nairo Quintana zu verkürzen versuchte, hatte ein Zuschauer Froome angespuckt. Erst nachdem er von Journalisten mehrfach auf den Vorfall angesprochen wurde kritisierte Froome: "Wenn das so war, dann ist das armselig und inakzeptabel." Der Brite, am vergangenen Samstag sogar mit einem Urin-Becher beworfen, war auf der 19. Etappe nach La Toussuire bereits zuvor mehrfach mit abfälligen Gesten und Beschimpfungen bedacht worden.

Anders als das Verhalten der "Fans" hatte Froome die fragwürdige Aktion des Etappensiegers Vincenzo Nibali aus nächster Nähe beobachtet. Auf dem Weg zum Col de la Croix de Fer (2067 m), der auch am Samstag auf dem Weg nach L'Alpe d'Huez überquert wird, waren Froome die Unterstützer ausgegangen. Nahezu auf sich allein gestellt geriet er in Schwierigkeiten, als er im Anstieg wegen eines Steins in der Hinterradbremse kurz anhalten musste.

Tour de France: Vincenzo Nibali gewinnt 19. Etappe
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Nibali gewinnt 19. Etappe

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Zwar kämpfte sich Froome wieder an die Gruppe der Top-Favoriten heran, doch Nibali nutzte die Gunst der Stunde für eine Attacke und verstieß damit gegen das Gentlemen's Agreement: Angriffe bei technischen Problemen der Gegner sind im Peloton verpönt. "Ich habe ihm deutlich gesagt, was ich davon halte", so Froome: "Er hat den Moment ausgenutzt, als ich ein mechanisches Problem hatte. Ich glaube nicht, dass es sportlich war."

Der italienische Titelverteidiger stritt ab, die Panne seines Rivalen bemerkt zu haben. "Ich habe zu meinem Teamkollegen Tanel Kangert geschaut, wir wollten sowieso angreifen. Ich bin enttäuscht von Froome, seine Wortwahl war sehr harsch. Ich möchte sie nicht wiederholen", sagte Nibali. Da außer Nibali aber keiner der neben ihm fahrenden Radprofis angriff, durfte die Version des Astana-Kapitäns zumindest angezweifelt werden.

Nibali schloss im Anschluss im Alleingang die Lücke zum zuvor enteilten Franzosen Pierre Rolland (Europcar), der vor drei Jahren an gleicher Stelle einen Etappensieg gefeiert hatte. 16 km vor dem Ziel zog Nibali das Tempo an und enteilte seinem Begleiter, auf dem Weg zum ersehnten Tagessieg ließ sich Nibali nicht mehr aufhalten. Im Ziel riss er die Arme in die Höhe und bejubelte seinen Etappenerfolg wie den Gesamtsieg.

Unterdessen lieferten sich Froome und Quintana einen erbitterten Zweikampf. Quintana, der sich fast die gesamte Etappe über konsequent an Froomes Hinterrad aufgehalten hatte, gab fünf Kilometer vor dem Ziel seine abwartende Haltung auf und attackierte. Froome konterte mit größter Mühe und erreichte 30 Sekunden hinter dem 25-Jährigen vom Team Movistar das Ziel. "Nairo war sehr stark, ich habe versucht, den Rückstand in Grenzen zu halten und dabei so viel Energie wie möglich für morgen zu sparen", sagte Froome: "Ich hoffe, wir kriegen es morgen hin. Es wird der letzte große Test."

Beim abschließenden Alpen-Showdown nach L'Alpe d'Huez dürften Froome nur noch ein Sturz oder ein nicht zu erwartender Leistungseinbruch am zweiten Gesamtsieg nach 2013 hindern, der Vorsprung auf den zweitplatzierten Quintana beträgt komfortable 2:38 Minuten. Die Fahrt über die 21 legendären Spitzkehren wird für den gebürtigen Kenianer trotz zu erwartender Attacken des Bergflohs aus den Anden aller Voraussicht nach zu einer Triumphfahrt.

(sid)
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