Rugby begeistert die Fans Sieben Frauen und ein Ei

Rio de Janeiro · Rugby ist erstmals seit 92 Jahren wieder olympische Disziplin und dürfte es dank des großen Interesses auch bleiben.

 Rugby ist auf dem besten Weg, das Olympia-Publikum nachhaltig zu begeistern und nicht als Ein-Spiele-Fliege wieder aus dem Programm zu verschwinden.

Rugby ist auf dem besten Weg, das Olympia-Publikum nachhaltig zu begeistern und nicht als Ein-Spiele-Fliege wieder aus dem Programm zu verschwinden.

Foto: dpa, ab mr

Die beiden gelben Bändchen in den dunklen Pippi-Langstrumpf-Zöpfen und die kleinen Grübchen um den Mund von Charlotte Caslick lassen in der einsetzenden Dämmerung über Deodoro auf eine etwas schüchterne, zurückhaltende 21-Jährige aus Brisbane schließen. Doch da ist eben die Erinnerung an diese Charlotte Caslick aus den zweimal sieben Minuten zuvor gegen Spanien. Und da war so rein gar nichts mit Zurückhaltung, Schüchternheit und Pippi Langstrumpf. Das wäre in Caslicks Sportart auch wenig zielführend, denn die Australierin spielt Siebener-Rugby. Und Rugby ist hier in Rio nach 92 Jahren zu Olympia zurückgekehrt.

Es ist ein Comeback mit Knall. Das deutet schon der Frauenwettbewerb an. In seiner abgespeckten Siebener-Variante gibt es Rugby schon seit den 1880er Jahren. Hier in Rio ist es nun auf dem besten Weg, das Olympia-Publikum nachhaltig zu begeistern und nicht als Ein-Spiele-Fliege wieder aus dem Programm zu verschwinden. Die Sportart hat Tempo im Blut, das zeigen die Spiele im Militärareal von Deodoro - zwei mal sieben Minuten Spieldauer, sieben Feldspieler pro Team, kein Abtasten, nur Vorwärtsgang, viele Punkte, viel Einsatz, viel Körperkontakt, quick and dirty, statt ein Fest für Taktikliebhaber. Das entspricht dem Zeitgeist, das entspricht unserem Lebensstil. Das entspricht unserer Mediennutzung. Das funktioniert beim Publikum. Das muss zwangsläufig funktionieren.

Caslicks Australierinnen haben Spanien gerade im Viertelfinale 24:0 geschlagen. Caslick selbst gelangen dabei zwei Versuche, fünf Punkte gibt es für einen Versuch, also das Ablegen des Eis ins gegnerische Malfeld. "Das Offensivspiel liegt mir im Naturell, aber ich bin auch stolz, wie ich an meiner Defensivarbeit gearbeitet habe", sagt sie, die viele für die beste Siebener-Rugby-Spielerin der Welt halten.

Gepasst werden darf auch in ihrer Sportart nur nach hinten, es gibt auch hier ein Gedränge, in dem die Spieler sich Schulter an Schulter gegenüberstehen, alles ist wie im "großen" Rugby mit 15 Spielern pro Team. Selbst das Spielfeld ist dasselbe, 100 Meter lang, 70 Meter breit. Und in diesem Areal behaken sich hier im Norden im umgebauten Polo-Feld die Teams nach allen Regeln der Körperkontakt-Kunst. Wo beim Frauen-Handball laut den Klagen Beteiligter zuweilen fies gekniffen und gekratzt wird, wird hier ehrlich und mit offenem Visier gezerrt, gerammt und umgehauen. Männersport für Frauen. Das einzige Manko bei diesem Turnier: Etablierte Rugby-Nationen wie Australien, Neuseeland oder Großbritannien sind zu überlegen. Neuseeland gegen Kenia endet so dann auch halt mal 52:0, Kanada schlägt Japan 45:0.

Doch selbst in solch einseitigen Spielen springt der Funke auf die anwesenden Zuschauer über. Knapp zwei Drittel der verfügbaren Karten sollen verkauft sein, heißt es. "Bei uns können die Fans sehr nah dran, und je näher sie dran sind, desto besser ist die Atmosphäre", sagt Brett Gosper, Geschäftsführer des Weltverbandes. Die deutschen Frauen hatten sich übrigens frühzeitig in der Qualifikation vom Traum einer Olympia-Teilnahme verabschieden müssen. Einen ganz anderen Traum träumen sie derweil in Fidschi. Der 900.000-Einwohner-Inselstaat aus dem Südpazifik darf sich berechtigte Hoffnungen machen, im Rugby die erste Olympiamedaille der eigenen Historie zu gewinnen. "Titelverteidiger", weil Olympiasieger von 1924 in Paris, sind zwar die USA, aber die Insel-Hünen aus der Südsee zählen zu den Favoriten des heute beginnenden, ebenfalls über drei Tage gehenden Männer-Turniers. Die Fidschianer gewannen zuletzt zweimal in Folge die bedeutendste Turnierserie im Siebener-Rugby, die World Series. Außerdem zum Favoritenkreis im Zwölferfeld - auch hier ohne das deutsche Team, das die Qualifikation im Juni in Monaco knapp verpasste - zählen Weltmeister Neuseeland und Großbritannien.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird die Rückkehr der Rugby-Cracks unter die fünf Ringe dieser Tage mit großem Interesse beobachten. Schließlich gibt es geschätzte 250 Millionen Rugby-Fans in der Welt, also 250 Millionen potenzielle Fernsehzuschauer und Werbekunden. Das ist die harte Währung, in der ein Neuling im Sportartenkanon von Olympia zurückzahlen können muss, will er Mitglied bleiben. Denn eine olympische Sportart muss längst vermarktbarer Event sein, um für das IOC interessant zu sein. Dass das klappen wird, davon ist Weltverbandspräsident Bill Beaumont überzeugt. "Wir haben keinen Zweifel, dass das Turnier unvergessliche Momente liefern wird", sagte er. Momente, wie sie auch Charlotte Caslick liefert.

(klü)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort