Berlin Surfen als Entwicklungshilfe für Afghanistan

Berlin · Afghanistan hat keinen Ozean. Aber wer braucht den zum Wellenreiten schon? Um seine Körperspannung zu trainieren, geht der in Berlin lebende Afghane Afridun Amu in einen Park und balanciert auf einer "Slackline", einem Seil, das zwischen zwei Bäume gespannt wird. Ende Mai kämpft er um den nationalen Meistertitel; in Portugal wird die erste afghanische Surf-Meisterschaft ausgetragen.

Amu nimmt nicht nur teil, er ist auch einer der Organisatoren. Der Wettkampf steht für den Studenten, der seit 1992 in Deutschland lebt, nicht im Vordergrund, die internationale Konkurrenz ist den Afghanen ohnehin weit voraus. Sein langfristiges Ziel ist ein Entwicklungshilfe-Projekt.

2012 hat Amu gemeinsam mit Freunden den afghanischen Surf-Verband "Wave Riders Association of Afghanistan" gegründet, der 2014 vom Weltverband, der "International Surfing Association", anerkannt wurde. "Mit der Gründung des Verbands wollten wir zeigen, dass auch wir als Afghanen etwas machen können, was woanders eine Selbstverständlichkeit ist", sagt er.

Mitglieder sind vor allem Afghanen. Sie leben in Deutschland, Kanada, Dänemark, Frankreich und Tschechien. Ursprünglich wollten sie sich nur vernetzen. Irgendwann ging es ihnen auch darum, anderen zu zeigen, dass Afghanistan mehr ist als Krieg und Terror. In Portugal wollen sie afghanisch kochen, tanzen, musizieren. "Diese Nebensachen sind uns wichtiger als der Wettkampf", sagt Amu.

Der Berliner Student und seine Freunde wollen nicht nur ihre Kultur mit anderen Surfern teilen, sondern auch ihre Leidenschaft für das Wellenreiten mit den Afghanen. Dem Land fehlt aber nicht nur ein Ozean. Seit dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes zum Jahreswechsel verschlechtert sich die Sicherheitslage ständig. Ihm sei natürlich klar, dass Surfen in Afghanistan gerade nicht das Allerwichtigste sei, gibt Amu zu. Ihm schwebt daher eher vor, gemeinsam mit Hilfsorganisationen vor Ort Schwimmkurse zu organisieren.

Entwicklungshilfe durch Sport - diesen Ansatz verfolgt auch die Internationale Sportförderung des Auswärtigen Amts. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Deutschen Fußball-Bund schickt die Bundesregierung Sportexperten für Projekte ins Ausland. "Wir nutzen Sport als Mittel der Krisenprävention und Völkerverständigung", heißt es aus dem Auswärtigen Amt. "Sport kann in Konfliktregionen Vertrauen schaffen, baut Brücken - über sprachliche, politische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg."

Er gehe nicht nach Afghanistan und baue einen Brunnen, sagt Amu. "Aber auch durch unser Projekt kann Positives entstehen." Täglich erreichten ihn über das soziale Netzwerk Facebook Nachrichten von Leuten, die ihre Unterstützung für das Projekt anböten.

Das Auswärtige Amt hat zunächst die Vorliebe der Afghanen zum Fußball aufgegriffen und fördert ein Frauenfußball-Projekt. Das habe vielleicht mehr Potenzial als sein Ansatz, räumt Amu ein. "Aber ich spiele nicht gerne Fußball. Ich liebe das Surfen." Und wenn er es hinbekomme, mit einer Sache, die ihm so viel Spaß bereite, etwas Sinnvolles zu tun, dann sei das doch eine "Win-Win-Situation".

(dpa)
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