Tennis-Talent Zverev Typisch 19

New York/Düsseldorf · Alexander Zverev ist die deutsche Hoffnung im Männertennis. Bei den US Open zeigt er, wofür er derzeit steht: Talent und launenhaftes Benehmen.

Alexander Zverev: Deutschlands Nummer eins im Tennis
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Das ist Alexander Zverev

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Foto: dpa/Michel Euler

Der Tennisschläger prallt auf den blauen Gummiboden und fliegt im hohen Bogen über den Platz. Alexander Zverev hatte ihn mit Jähzorn im Blick weggeworfen. Es ist der erste Satz im ersten Spiel der US Open. Gegner ist Landsmann Daniel Brands. Es steht 3:5, Satzball Brands. Zverev verliert den Satz, lamentiert, diskutiert mit dem Schiedsrichter, schüttelt den Kopf, zieht schließlich aber nach einem 3:6, 6:1, 6:4, 7:6 (7:4) in die zweite Runde ein, in der er heute auf den Briten Daniel Evans trifft. Der Erstrundenauftritt ist bezeichnend für Zverev. Er kann sich auf sein Talent verlassen, muss aber noch lernen, seine Emotionen in die richtigen Bahnen zu lenken.

Mit 19 Jahren werden Entscheidungen getroffen, die später häufig den Weg in die Kategorie "bedauernswert" finden. Es sind Entscheidungen aus dem Bauch, impulsiv, wenig reflektiert. Sie werden meist verziehen. Alexander Zverev ist 19 Jahre jung. Auch er trifft diese Entscheidungen. Er ist aber nicht nur 19 Jahre alt, er ist auch Tennisprofi. Und in dieser Eigenschaft repräsentiert er das deutsche Tennis. Mehr noch: Er soll der neue Star seiner Sportart werden. Deshalb sind viele Augen auf ihn gerichtet, werden schnell Urteile gefällt, das Verzeihen fällt schwerer.

Kritik für Olympia-Absage

Alexander, genannt Sascha, Zverev, in Hamburg geboren, Sohn russischer Eltern, ist so etwas wie die Lebensversicherung für die Tennisbranche hierzulande. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) fördert ihn mit 60.000 Euro im Jahr. Umso erstaunlicher war seine Entscheidung, wenige Tage vor Olympia seine Teilnahme am Tennisturnier in Rio de Janeiro abzusagen. Er habe sich "nicht 100prozentig gut gefühlt" teilte er auf der Plattform "Instagram" mit. Dafür musste er viel Kritik einstecken. Der DTB und der Deutsche Olympische Sportbund waren nicht sehr angetan.

Noch schlimmer fiel das Echo nach seinem Erstrunden-Aus gegen den unbekannten Spanier Inigo Cervantes beim Turnier in seiner Heimatstadt im Juli aus, als er lustlos und mit sich hadernd die Partie abschenkte. Bockig stakste er über den Platz. "Ich gebe nie auf", bekundete er zwar, seine Körpersprache sagte aber etwas anderes aus. Turnierdirektor und Zverev-Förderer Michael Stich übte öffentlich Kritik. Einsicht zeigte Zverev nicht.

Bruder Mischa, der in New York ebenfalls die zweite Runde erreichte, versucht nun, die Gemüter zu beruhigen. "Ich kenne keinen Profi, der in seiner Karriere ohne Kritik ausgekommen ist", sagte der 29-Jährige: "Ich weiß genau, dass er nicht völlig durchgeknallt oder ein schlechter Mensch ist. Ich mache mir keine Sorgen um ihn."

Beim DTB hatte man sich nach Jahren der Querelen Geschlossenheit und Zusammenhalt verordnet. Die Egos sollten sich der gemeinsamen Sache unterordnen. Vom 16. bis 18. September kämpft das Davis-Cup-Team in Berlin auf Sand gegen Polen um den Verbleib in der Weltgruppe der besten 16 Nationen. Alexander Zverev ließ sein Mitwirken - zumindest offiziell - offen. "Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen. Mit mir hat noch keiner geredet", sagte er. Dass Zverev auf dem ungeliebten Sand dabei sein wird, gilt als sehr unwahrscheinlich. Auch diese Entscheidung würde nicht ohne Kritik verhallen.

(erer)
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