Vor 50 Jahren Als Bungert Tennis zum Volkssport machte

DÜsseldorf · Heute vor 50 Jahren erreicht der erste Deutsche nach dem Krieg ein Wimbledon-Finale. Es folgt ein Tennis-Boom.

 Wilhelm Bungert 1967 in Wimbledon.

Wilhelm Bungert 1967 in Wimbledon.

Foto: dpa

Sein größter sportlicher Erfolg fiel in das letzte Jahr, in dem die Tennis-Welt noch in Amateure und Profis unterteilt war. Das ist ein halbes Jahrhundert her. Am 7. Juli 1967 erreichte Wilhelm Bungert als erster deutscher Spieler nach dem Krieg das Endspiel in Wimbledon. Der Titel blieb ihm versagt. Bungert unterlag dem Australier John Newcombe glatt in drei Sätzen - nicht zuletzt auch, weil er zuvor drei kraftraubende Fünf-Satz-Matches zu bestehen hatte.

Bungert war damals 28 Jahre alt. Am 1. April vollendete der Frontmann des berühmten Tennis-Jahrgangs 1939 das 78. Lebensjahr. Seine Altersgenossen, die im selben Jahr geboren wurden, sind Dieter Ecklebe, Christian Kuhnke, der nur 13 Tage jünger ist, und Wolfgang "Paule" Stuck. Sie prägten gemeinsam mit dem zwei Jahre jüngeren, viel zu früh verstorbenen Ingo Buding eine Generation, die dem deutschen Tennissport nach der Ära Gottfried von Cramm erstmals wieder Weltgeltung verschaffte.

Bungerts Husarenritt auf den berühmten Rasenplätzen im Londoner Südwesten zog seinerzeit einen ungeahnten Boom nach sich, der den Wandel des einstmals weißen Sports vom elitären Freizeitvertreib für Begüterte hin zum Volkssport vehement förderte. Jahrelang registrierte der Deutsche Tennis Bund zweistellige Mitglieder-Zuwachsraten. Ohne diese Entwicklung wäre die große Ära mit Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich in den 80er- und 90er-Jahren, in denen Bungert vorübergehend auch als Davis-Cup-Kapitän fungierte, vielleicht gar nicht möglich gewesen.

Drei Jahre später, 1970, griff erstmals auch eine deutsche Davis-Cup-Mannschaft - angeführt von Bungert - nach der begehrtesten Mannschafts-Trophäe. In einer spektakulären Begegnung des Interzonen-Finales mit den Spaniern um die legendären "Manolos", Santana und Orantes, hatte sich das DTB-Quartett für die damals noch übliche Herausforderungsrunde (Challenge Round) mit dem Titelverteidiger USA qualifiziert.

Die Auseinandersetzung mit den Spaniern fand im Düsseldorfer Rheinstadion statt, das seinerzeit gerade für die Fußball-WM 1974 umgebaut wurde. In einer Kurve der riesigen Arena war binnen weniger Tage ein Asphaltplatz errichtet und zu zwei Seiten mit provisorischen Tribünen umgeben worden. Wilhelm Bungert, mit 43 Einsätzen noch heute mit Abstand deutscher Davis-Cup-Rekordspieler, hatte sich für diese Variante ausgesprochen. Buchstäblich bis zum ersten Ballwechsel wurde an dem Tennisstadion in der Fußball- und Leichtathletik-Arena gewerkelt.

Der Griff nach dem Davis Cup, auch als hässlichste Salatschüssel der Welt bezeichnet, ging dann allerdings gründlich daneben. Das deutsche Quartett mit Wilhelm Bungert, Christian Kuhnke, Ingo Buding, der als Playing Captain fungierte, und dem Nachwuchsspieler Jürgen Faßbender hatte den vom legendären Arthur Ashe angeführten starken Amerikanern nichts entgegenzusetzen und ging in Cleveland sang- und klanglos mit 0:5 unter. Aber Deutschland war wieder wer in der großen Tennis-Welts.

Bungert, der lupenreine Amateur

Wilhelm Bungert, Sohn eines Mannheimer Bau-Unternehmers, war noch ein lupenreiner Amateur. Oftmals arbeitete er bei Davis-Cup-Begegnungen oder Turnieren in seinem Rochusclub, dessen Mitglied er seit über fünf Jahrzehnten ist, noch am Vormittag seines Einsatzes in der eigenen Sportartikel-Firma, packte Kisten für den Versand und empfing Kunden.

So erklärte sich vielleicht die Unbeständigkeit seines Spiels. Mal Weltklasse, mal Kreisklasse - so kennzeichneten es die Medien. Die Zeitung mit den großen Buchstaben verlieh ihm den Spitznamen "Grusel-Willi", weil er das Publikum mit seinen schwankenden Leistungen ständig über eine Achterbahn der Gefühle führte. Bungert war ein reiner Instinktspieler, ein Künstler, der die unmöglichsten Schläge hervorzuzaubern vermochte, im nächsten Moment aber auch die einfachsten Fehler produzierte.

Noch heute arbeitet er mit Tochter Nicole in seinem Tennis-Zentrum am Hildener Autobahnkreuz und begrüßt seine Gäste. Seit Jahren schon führt er mit diversen Interessenten Gespräche über einen Verkauf der Anlage - doch bisher ergebnislos. Bungert: "Wenn wir über den Preis sprechen, glauben die alle, ich hätte etwas zu verschenken." Zum Deutschen Tennis-Bund, dessen Aushängeschild er jahrelang war, gibt es keinerlei Kontakt mehr. Bungert süffisant: "Ich denke, dort weiß gar keiner mehr, dass es mich einmal gegeben hat."

(RP)
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