"Schlechteste Nummer eins der Welt" Kerber und Murray konkurrieren um zweifelhaften Titel

Düsseldorf · Angelique Kerber ist weiter auf der Suche nach ihrer Form. Beim WTA-Turnier in Rom scheiterte sie bereits an der Auftakthürde. Danach hagelte es Hohn und Spott. Aber nicht nur Kerber steckt im Formtief.

Tennis-Weltrangliste: Die besten Damen aus Deutschland und der Welt
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Die Tennis-Weltrangliste der Damen

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Foto: AP/Fernando Llano

Langweilig wird es den Tennis-Fans derzeit nicht. Kaum war die Diskussion um die Entscheidung des französischen Tennisverbandes, Maria Scharapowa keine Wildcard für die French Open zu geben, abgeebbt, gab es auch schon eine neue Frage in den sozialen Netzwerken zu klären. Wer ist denn nun die schlechteste Nummer eins der Welt? Andy Murray oder Angelique Kerber? Angeregt wurde diskutiert, in zahlreichen eilig erstellten Votes konnten die Fans ihre Stimme abgeben. Für Kerber oder für Murray, die zwei Weltranglisten-Ersten, die momentan nicht so spielen, wie man das von Weltranglisten-Ersten erwartet.

Beide eroberten durch ein überragendes Jahr 2016 den Thron, beide tun sich im neuen Jahr ungemein schwer. In Rom war für die zwei Sorgenkinder der Tennis-Szene schon nach ihrem Auftaktmatch Schluss. Murray verlor gegen den unberechenbaren Lokalmatadoren Fabio Fognini, Kerber unterlag der estnischen Qualifikantin Anett Kontaveit. Vor allem die Art und Weise war bedenklich. Murray wurde beim 2:6, 4:6 gegen Fognini von seinem Gegner teilweise vorgeführt, Kerber holte sich gegen Kontaveit beim 4:6, 0:6 im zweiten Satz sogar die Höchststrafe ab.

2016 hat Kraft gekostet

Möglicherweise haben beide im vergangenen Jahr zu sehr auf die Tube gedrückt. Keine Top-Spielerin bestritt 2016 so viele Matches wie Kerber (81). Und Murray holte in der zweiten Saisonhälfte den scheinbar uneinholbar in Führung liegenden Novak Djokovic — der Serbe steckt derzeit ebenfalls im Formtief — noch ein. Indem er viel spielte und viel siegte. Das hat Kraft gekostet. Kerber und Murray haben in dieser Saison immer wieder mit kleinen Verletzungen zu kämpfen, der Körper spielt nicht so mit wie im vergangenen Jahr. Dazu kommt die mentale Komponente. Für beide ist die Situation als Nummer eins neu. Ist der Druck zu hoch für die Kielerin und den Schotten?

Fans können unbarmherzig sein. Und sie vergessen schnell. Und so werden die Stimmen lauter, Kerber sei die schlechteste Nummer eins in der Geschichte des Damentennis. Das ist natürlich maßlos übertrieben. Es gab im Tennis — sowohl bei den Damen als auch bei den Herren — schon Branchenführer, die niemals ein Grand-Slam-Turnier gewonnen haben. Kerber hat sich ihre Position hart erarbeitet und verdient, 2016 war sie unbestritten die beste Tennisspielerin der Welt, gewann die Australian Open und die US Open, stand im Finale von Wimbledon und den Olympischen Spielen. Herausragend. Doch nun sind einige der Meinung, sie werfe mit ihren Auftritten ein schlechtes Licht auf das Damentennis.

Damentennis vermisst seine Stars

Das System im Tennis will es so, dass die Leistungen der vergangenen 24 Monate für die Weltrangliste zählen. Also ist Kerber derzeit noch die Nummer eins. Auf dem Papier. Auf dem Platz erinnert kaum etwas an die Kerber von 2016. Die 29-Jährige wirkt verunsichert, häufig zu passiv. Sie leistet sich zu viele Fehler und ihre Körpersprache wirkt negativ. Die Konkurrenz hat das mitbekommen und wittert ihre Chance. Schließlich will jeder gerne mal die Nummer eins schlagen. Kerber ist die Gejagte und offensichtlich mit der Situation überfordert.

Es ist nicht Kerbers Schuld, dass noch keine ihrer Konkurrentinnen das Machtvakuum an der Spitze des Damentennis genutzt hat. Aber es ist ein Grund, warum der Spott in diesen Tagen so heftig ausfällt. Das Damentennis sehnt sich nach Stars, die derzeit jedoch verhindert sind. Serena Williams, die schwanger das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres in Australien gewann, legt eine Babypause ein. Die Weißrussin Wiktoria Asarenka ist aus ihrer noch nicht zurück. Glamour-Girl Ana Ivanovic hat ihre Karriere beendet und genießt den Ruhestand mit Ehemann Bastian Schweinsteiger. Scharapowa ist umstritten und nach ihrer langen Dopingsperre auch noch nicht in Bestform. Kerbers derzeit heißeste Verfolgerin ist die Tschechin Karolina Pliskova, die Rumänin Simona Halep gilt indes als Topfavoritin auf den Titel bei den French Open. Beides keine großen Stars mit Strahlkraft über den Tennissport hinaus.

Allzu lange wird Kerber ihre Position in der aktuellen Form wohl nicht mehr verteidigen können. Dafür hat sie nach der Sandplatzsaison zu viele Punkte zu verteidigen. Vielleicht wird es ihr gut tun, wenn sie dann wieder die Jägerin sein darf. Und auch Murray werden nur noch kleine Chancen zugeschrieben, das Jahr als Nummer eins zu beenden. Über Konkurrenz ohne Starqualitäten kann sich der Schotte indes nicht beschweren. Seine derzeit größten Rivalen im Kampf um den Tennisthron: Rafael Nadal und Roger Federer.

(areh)
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