Tennis Kerber zieht wieder einmal den Kopf aus der Schlinge

Indian Wells/Frankfurt · Angelique Kerber bewies in Indian Wells ihre Houdini-Qualitäten. Die designierte Weltranglistenerste holte bei ihrem Drittrundensieg gegen Pauline Parmentier einen 1:4-Rückstand im entscheidenden Satz auf. Wie eine Nummer eins spielt Kerber derzeit aber nicht.

Angelique Kerber gewinnt Hitzeschlacht gegen Parmentier
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Kerber gewinnt Hitzeschlacht gegen Parmentier

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Foto: dpa, zeus wie

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten lieben sie den Nervenkitzel. Vielleicht mehr noch als woanders. Es ist deshalb kein Zufall, dass Angelique Kerber in den USA sehr beliebt ist. Und dass die designierte Nummer eins vor geraumer Zeit von den Amerikanern einen liebevoll gemeinten Spitznamen verpasst bekam: Houdini.

Ihre Entfesselungskünste stellte Kerber beim 7:5, 3:6, 7:5 gegen Pauline Parmentier (Frankreich) in der dritten Runde des Turniers von Indian Wells wieder mal eindrucksvoll unter Beweis. Nachdem die Kielerin bereits im ersten Durchgang einen Satzball abgewehrt hatte, lag sie im entscheidenden Satz mit 1:4 zurück. Mehr noch: Die im wahrsten Sinne wie entfesselt aufspielende Parmentier war urplötzlich nur noch einen Punkt von einer 5:2-Führung entfernt.

"In solchen Momenten denkt man nicht über Druck oder solche Dinge nach. Ich habe nur daran gedacht, dass ich schon viele solcher Matches gedreht habe in den letzten Jahren. Und ich habe wieder an mich geglaubt", erzählte Kerber nach dem zweieinhalbstündigen Schlagabtausch unter der gleißenden kalifornischen Wüstensonne und ihrem ersten Achtelfinal-Einzug seit 2013 beim "fünften Grand-Slam-Turnier".

Kerber rettet sich über die Physis

Wie so oft bei der 29-Jährigen war der bedrohliche Rückstand eher Ansporn als Hemmschuh. "Da kam mein Biss zurück. Ich habe mir gesagt: Jetzt oder nie, sonst ist es zu spät", berichtete die stressresistente Kerber, die in der Endphase auch ihre physischen Stärken in die Waagschale warf: "Deshalb trainiere ich und mache Sachen wie Intervallläufe: Damit ich endlos laufen kann. Egal, ob es heiß ist oder nicht." Heiß war es im malerischen Coachella Valley: Weit über 30 Grad Celsius - und das schon am späten Vormittag. Spielerisch überzeugte sie aber erneut nicht. Kerber unterliefen ungewöhnlich viele Fehler, vor allem ihr Paradeschlag, die Vorhand entlang der Linie, landete teilweise meterweit im Aus.

Durch die vom Erfolg gekrönte Aufholjagd nach einer Partie "mit Aufs und Abs" tankte die zweimalige Grand-Slam-Siegerin wieder ein bisschen Selbstvertrauen auf dem Weg zurück zu alter Stärke. "Ich habe meinen Rhythmus gefunden und fühle mich gut", sagte die an Nummer zwei gesetzte Kerber, die im Match um einen Platz im Viertelfinale in der Nacht zum Mittwoch (MEZ) auf Jelena Wesnina (Russland/Nr. 14) trifft.

Ausgeschieden ist dagegen Kerbers Fed-Cup-Kollegin Julia Görges. Die 28-Jährige aus Bad Oldesloe unterlag in ihrem Drittrundenmatch der Amerikanerin Lauren Davis nach 92 Minuten Spielzeit mit 1:6, 4:6.

Beim parallel stattfindenden ATP-Turnier in Indian Wells war für die Davis-Cup-Spieler Philipp Kohlschreiber (Augsburg/Nr. 28) und Mischa Zverev (Hamburg/Nr. 29) ebenfalls in Runde drei Endstation. Kohlschreiber unterlag US-Open-Champion Stan Wawrinka (Schweiz/Nr. 3) in 78 Minuten mit 5:7, 3:6, Zverev war beim 1:6, 4:6 gegen den Weltranglisten-Neunten Dominic Thiem aus Österreich weitgehend chancenlos.

Kerber indes wirkt in diesen Tagen sichtlich entspannt. Nach den Enttäuschungen auf der Australien-Tour zu Jahresbeginn hatte sie weiter hart gearbeitet. "Ich habe aus den Ergebnissen kein Drama gemacht. Mein Umfeld und ich sind positiv geblieben, nachdem ich vielleicht nicht so gespielt habe, wie es alle erwartet hatten", meinte Kerber. Ihrem Spitznamen jedenfalls hat sie in Indian Wells alle Ehre gemacht. Das würde sicher auch Harry Houdini bezeugen, der große Entfesselungskünstler.

(sid)
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