Comeback nach Formkrise Die neue Kerber

Düsseldorf/Melbourne · Deutschlands beste Tennisspielerin Angelique Kerber ist wieder da - trotz einer knappen Halbfinal-Niederlage bei den Australian Open.

Australian Open 2018: Angelique Kerber unterliegt Simona Halep im Halbfinale
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Kerber unterliegt Halep und verpasst das Finale

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Foto: rtr, WY

Angelique Kerber war schon mal im Tennis-Himmel. Das ist ziemlich genau zwei Jahre her. Damals gewann sie als erste deutsche Spielerin nach Steffi Graf ein Grand-Slam-Turnier, die Australian Open in Melbourne. Es war eine geradezu historische Tat, 17 Jahre nach dem Sieg der unerreichten Graf in Paris.

Angelique Kerber hat aber auch einen tiefen Absturz erlebt, nicht unbedingt bis in die Tennis-Hölle. Aber es muss sich zumindest beinahe so angefühlt haben, als sie im Lauf des vergangenen Jahres von der Nummer eins der Weltrangliste auf Platz 21 durchgereicht wurde. Ihr Spiel verkrampfte, die Lockerheit, die große Sieger brauchen, war dahin. Mit der Niederlagen-Serie wuchs eine sportliche Form der Verzweiflung.

Nun ist Angelique Kerber doch wieder in der Nähe des Tennis-Himmels angekommen. Nicht eben erwartungsgemäß nach einem Jahr voller Rückschläge und unbeantworteter Fragen nach den tieferen Gründen dafür. Sie startete mit Siegen in Serie ins Jahr, und sie ist gestern nach einem ganz großen Kampfspiel im Halbfinale der Australian Open an der rumänischen Weltranglisten-Ersten Simona Halep gescheitert. "Ich fühle nicht, dass ich das Match verloren haben, sie hat es am Ende gewonnen", sagte Kerber nach dem dritten entscheidenden Satz (3:6, 6:4, 7:9), der das Publikum in Melbourne mehrmals von den teuren Sitzen riss. Am Ende, sagten Experten, war es wie Schwergewichtsboxen in der zwölften Runde. Die beiden Konkurrentinnen holten in der australischen Abendhitze auch die letzten Reserven aus sich heraus. Es war ein großartiges Spiel. Und für Kerber trotz der Niederlage eine vorübergehende Krönung eines erstaunlichen Comebacks.

Es begann im zurückliegenden Herbst. Angelique Kerber suchte nach einem Weg aus der Krise. "Verlorene Spiele und Fehler auf dem Platz hatten mir schlaflose Nächte bereitet", schrieb sie in einem Beitrag für die "Zeit". Das ist typisch für sie. Ihr Hang zur Selbstkritik hat lange Zeit zu einer Wellenbewegung ihrer Karriere geführt. Kurz vor dem 30. Geburtstag schien der Weg ins tiefe Wellental vorgezeichnet.

Beim Forschen nach den Ursachen fielen ihr zwei wesentliche Gründe ein. "Es war viel auf mich eingestürzt, mir fehlte die Zeit, das alles zu verarbeiten", ist der eine. "Meine Träume, die mich bis dahin angetrieben hatten, waren erfüllt", der andere. Ihren Schluss zog sie im Beitrag für das Wochenmagazin: "Die wichtigste Lektion war, den eigenen Wert nicht über sportliche Erfolge zu definieren und die Weltrangliste nicht zum Maßstab aller Dinge werden zu lassen. Mein aktueller Traum ist es, mich 2018 zurückzukämpfen und alles aus mir herauszuholen, was ich kann."

Das ist ihr schon in diesem ersten Monat gelungen. Und daran hat ihr neuer Trainer natürlich seinen Anteil. Der Belgier Wim Fissette löste im November Torben Beltz ab, der Kerber seit Jugendtagen begleitet hatte. Diese Trennung fiel ihr nicht leicht, ebenso wenig wie der Entschluss, eine Pause zu machen, einfach mal auszusteigen aus dem Hamsterrad des Profisports. Fünf Wochen fasste sie keinen Tennisschläger an. "Ich wollte erst wieder anfangen, wenn ich körperlich und mental wieder bereit bin", erklärte sie. Ihr Trainer half dabei, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Der Moment war offenbar gut gewählt, wie die Auftritte in den zurückliegenden fast zwei Wochen beweisen.

Kerber wirkt derart gelassen, dass ein neuerlicher Absturz ins nächste Wellental nicht so bald zu befürchten ist. Vielleicht ist sie nun auch an dem Punkt, an dem sie sich Ende Januar 2016 wähnte. "Jetzt bin ich reif, das zu genießen", sagte sie nach dem Titelgewinn in Melbourne, "ich muss niemandem mehr etwas beweisen." Das stimmte vor zwei Jahren wahrscheinlich nicht so ganz. Denn da hatte sie sich selbst noch zu beweisen, dass es kein einmaliger Höhenflug bleiben sollte. Auch das führte in die lange Phase der Verkrampfung. Sie hat sich selbst gezeigt, dass sie wieder zu denen da oben gehört. Auf Platz neun der Welt hat sie sich schon wieder vorgearbeitet. Und das muss nicht die Endstation sein.

(pet)
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