Leidtragender einer neuen Regel Deshalb wird Zverev für seine Aufgabe so hart bestraft

Düsseldorf/Melbourne · Weil er zu seinem Erstrundenmatch bei den Australien Open antrat, obwohl er nicht fit war, muss Mischa Zverev eine saftige Geldstrafe zahlen. Der deutsche Tennisprofi ist der Leidtragende einer neuen Regel, die hart wirkt, aber durchaus ihre Berechtigung hat.

Australian Open 2018: Mischa Zverev gibt verletzt auf
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Mischa Zverev gibt verletzt auf

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Foto: afp

Zverev hatte am vergangenen Dienstag in seinem Match gegen den Südkoreaner Hyeon Chung beim Stand von 2:6, 1:4 nicht mehr weiterspielen können. Der ältere der beiden Zverev-Brüder klagte später über eine Knochenhautentzündung in der Schulter seines linken Schlagarmes sowie einen Infekt mit Fieber. Der 30 Jahre alte Hamburger muss 45.000 US-Dollar bezahlen. Sein Preisgeld für die erste Runde betrug 47.000 US-Dollar.

Auf den ersten Blick klingt das hart, fast erbarmungslos. Ein Spieler wird dafür bestraft, dass sein Körper streikt? Doch die Regel hat ihre Berechtigung - und sie hat eine Vorgeschichte.

Bei den US Open hatte es 2015 in der ersten Runde zwölf Aufgaben wegen Verletzungen oder sonstiger körperlicher Beeinträchtigungen gegeben. Einige Spieler kapitulierten vor der schwülen Hitze in jenem August in New York, doch andere waren schon mit Verletzungen in ihr Match gegangen. Sie traten trotzdem an, immerhin wird bei den vier Grand-Slam-Turnieren schon alleine für die Teilnahme an der ersten Runde ein üppiges Preisgeld ausgeschüttet, für das man bei kleineren Turnieren das Halbfinale oder gar Finale erreichen muss. Für Spieler, die gerade so in den Top 100 stehen, ist das Erstrunden-Preisgeld häufig existenziell.

Die Aufgabenserie von New York schlug hohe Wellen. Es müsse etwas passieren, forderten Fans, Journalisten und Spieler. Und es passierte etwas. Die Verantwortlichen der vier Grand-Slam-Turniere beschlossen eine Regeländerung, die seit diesem Jahr greift. Spieler, die innerhalb von vier Tagen vor Turnierbeginn verletzungsbedingt zurückziehen, erhalten nun dennoch die Hälfte des Preisgeldes für ein Erstrunden-Aus. Die andere Hälfte geht an die Lucky Loser aus der Qualifikation, die dadurch ins Hauptfeld rutschen.

Die Kehrseite der Medaille: Wer antritt, obwohl er aus gesundheitlichen Gründen nicht wettbewerbsfähig ist, muss eine Geldstrafe zahlen. Wie hoch die Strafe ausfällt, hängt vom einzelnen Fall ab. Sie kann bis zur Höhe des Erstrundenpreisgelds gehen, bei Zverev lag sie nur knapp darunter. Die Begründung: Der angeschlagene Spieler nimmt einem anderen, fitten Spieler die Chance, zu spielen und beraubt die Zuschauer um die Chance, ein vollständiges Match zu sehen.

Dass Zverev trotz körperlicher Beschwerden antrat, ist aus seiner Sicht dennoch verständlich. Der Deutsche hatte im Vorjahr das Viertelfinale erreicht und dementsprechend viele Weltranglistenpunkte zu verteidigen. Er wollte es halt versuchen. Schließlich ist nicht immer abzusehen, wie der Körper im Match reagiert. Die Veranstalter in Melbourne bestraften ihn trotzdem hart. Möglicherweise, um der neuen Regel direkt Nachdruck zu verleihen und ein Exempel zu statuieren. Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann nannte die Strafe "drastisch". Er vermutete: "Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen." In der Tat kündigte Zverevs Management am Dienstag an, gegen die Strafe Einspruch einzulegen.

Zverev war übrigens der einzige Spieler, der sein Erstrundenmatch aufgab. Insgesamt vier Spielerinnen und Spieler zogen bereits vor ihren Auftaktmatches zurück und teilten somit ihr Preisgeld mit Lucky Losern. Die neue Regel greift - und sie zeigt Wirkung.

(areh)
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