Tennis Warum Boris Becker seinen Trainerjob los ist

Düsseldorf · Drei Jahre arbeiteten sie zusammen, die meiste Zeit überaus erfolgreich. Doch nun ist das Duo Boris Becker und Novak Djokovic Geschichte. Die Trennung hatte sich in den vergangenen Monaten angedeutet, zuletzt stimmte es in der Beziehung zwischen Coach und Schützling nicht mehr.

 Novak Djokovic und Trainer Boris Becker gehen getrennte Wege.

Novak Djokovic und Trainer Boris Becker gehen getrennte Wege.

Foto: ap, JJ SH

"Danke! Wir hatten die Zeit unseres Lebens ..." Die wenigen Worte, mit denen Becker — natürlich auf seinem Lieblingsportal Twitter — seine Trennung von Djokovic kommentierte, klingen emotional, positiv, euphorisch.

Die Erklärung, die der Serbe über die sozialen Netzwerke und seine Homepage verbreitete, wirkt dagegen fast unterkühlt. "Die Ziele, die wir uns zu Beginn unserer Zusammenarbeit gesteckt hatten, wurden vollständig erfüllt und ich möchte ihm für Kooperation, Teamwork, Hingabe und Engagement danken", schrieb Djokovic, um dann fortzufahren. "Doch andererseits sind meine professionellen Pläne nun, ein gutes Spielniveau beizubehalten und für die kommende Saison einen guten Fahrplan zu erstellen und neue Ziele zu setzen. In dieser Hinsicht werde ich alle künftigen Entscheidungen treffen." Die Trennung sei einvernehmlich erfolgt, ließ Djokovic verlauten.

In Wahrheit darf fleißig darüber spekuliert werden, wer die treibende Kraft bei der Entscheidung war. Tatsache ist, dass die über lange Zeit so erfolgbringende Beziehung zwischen der deutschen Tennis-Ikone und dem serbischen Ausnahmekönner in den vergangenen Monaten Risse bekommen hatte. Nach seinem Triumph bei den French Open im Juni 2016, durch den Djokovic seine Grand-Slam-Sammlung komplettiert hatte, war ein Bruch im Spiel des Serben zu erkennen gewesen. Und auch innerhalb seines Teams bröckelte es. Djokovic fiel in ein Motivationsloch, scheiterte in Wimbledon und bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro früh. Private Probleme und körperliche Wehwehchen taten ihr übriges.

"Er hat in den vergangenen sechs Monaten einfach nicht genug trainiert. Solche Erfolge erreicht man nicht, in dem man einen Knopf drückt. Man muss hart dafür arbeiten", sagte Becker in einem Interview mit "Sky Sports" nach der Trennung. Das passt ins Bild. Djokovic habe sich nicht gut auf Wimbledon vorbereitet, ließ Becker schon nach dem Drittrunden-Aus seines Schützlings auf dem "Heiligen Rasen" verlauten. "Nach dem Sieg in Paris hat jeder Novak gratuliert. Das hat er ein wenig zu sehr genossen", sagte Becker. "Er ist auch nur ein Mensch." Der Spannungsabfall nach Erreichen des großen Ziels — nicht ungewöhnlich und völlig verständlich. Doch anscheinend verschoben sich in dieser Phase Djokovics Prioritäten nachhaltig. Im Herbst überraschte er während des ATP-Turniers in Shanghai mit der Aussage, große Titel zu gewinnen sei nicht mehr das wichtigste für ihn als Tennisspieler. "Ich möchte die innere Freude auf dem Platz wiederbekommen", sagte der 29-Jährige. "Meine Einstellung gegenüber dem Tennis, meiner Karriere, meinem Leben — sie ist jetzt anders."

Bei dieser Wandlung spielt der spanische Ex-Profi Pepe Imaz eine tragende Rolle. Imaz ist schon länger Teil des Teams Djokovic, nach Roland Garros ist sein Einfluss aber offenbar gewachsen. Er fungiert als eine Art Mentaltrainer, die Presse gab ihm den Beinamen "Tennis-Guru". "Er ist kein Guru, sondern lediglich Teil meines Trainerteams", stellte Djokovic daraufhin klar. Imaz betreibt in Spanien eine Tennis-Akademie mit einem ungewöhnlichen Ansatz. Sein Konzept von "Liebe und Frieden", Spiritualität und Meditation hat Djokovic offensichtlich stärker angezogen als Beckers leistungsorientierter Ansatz. Und das dürfte Becker wiederum gar nicht gepasst haben.

In einem Interview mit der britischen Zeitung "Daily Mail" hatte Becker zuletzt einigermaßen fassungslos über das Endspiel der ATP-WM in London gesprochen. Djokovic verlor das Match gegen Andy Murray glatt in zwei Sätzen (3:6, 4:6), obwohl er wesentlich ausgeruhter ins Spiel gegangen war, als der Schotte, der ein Marathon-Match gegen Milos Raonic in den Knochen hatte. "Ich konnte nicht glauben, wie schlecht er unter diesen Umständen gespielt hat. Das war wohl sein schlechtestes Match in unserer gemeinsamen Zeit. Und zwei Wochen später weiß ich immer noch nicht, was passiert ist", sagte Becker.

Durch die Niederlage verpasste Djokovic es auch, sich zum Saisonende die Nummer eins in der Weltrangliste von Murray zurückzuholen. Cheftrainer Becker saß bei allen Matches in London in Djokovics Box, gemeinsam mit dessen langjährigem Coach Marjan Vaida sowie Fitnesscoach und Physiotherapeut. Auch Imaz nahm dort Platz, aber etwas abseits vom restlichen Betreuerstab. Jeden Ballwechsel verfolgte er mit einem immer gleichen, stoischen Lächeln auf den Lippen. Dabei trug er ein T-Shirt, auf dem das Logo seiner Akademie abgedruckt war: ein Herz, das die Worte "Amor y Paz" umrahmt — Liebe und Frieden.

Mit Djokovic kam er in Kontakt, weil er dessen Bruder, der nach dem Ende seiner wenig erfolgreichen Tennis-Karriere aus dem seelischen Gleichgewicht geraten war, geholfen hatte, seine Depressionen in den Griff zu bekommen. Marko Djokovic ist mittlerweile an Imaz' Akademie beteiligt. Böse Zungen, die sagten, Djokovic habe Imaz nur in sein Team geholt, um das Business des Bruders PR-technisch zu unterstützen, sind mittlerweile aber verstummt.

Ob der Spanier wirklich der Hauptgrund für die Trennung von Becker war, bleibt Spekulation. Möglicherweise war es auch einfach der richtige Zeitpunkt, nach drei Jahren, in denen Djokovic seinen Sport teils nach Belieben dominiert hatte, einen Schlussstrich zu ziehen. Man darf gespannt sein, wie Djokovic sein Team in Zukunft aufstellen wird. Dass Djokovic auch die Zusammenarbeit mit seinem anderen Coach Vajda beendet, scheint unwahrscheinlich.

Und man darf gespannt sein, was nun aus Becker wird. Als Djokovic ihn vor drei Jahren zu seinem Trainer ernannte, reagierte die Tennis-Welt erstaunt, denn der Deutsche hatte nach seiner aktiven Karriere nur noch abseits des Sports Schlagzeilen produziert. Nun hat er aber bewiesen, dass er mit seiner immensen Erfahrung ein wertvoller Berater ist. Sechs Grand-Slam-Titel und insgesamt 25 Turniersiege holte Djokovic mit ihm als Cheftrainer. "Ich habe die letzten drei Jahre sehr genossen. Ich war in meinem Element und ich werde auch in Zukunft in meinem Element sein", sagte Becker in der vergangenen Woche der "Daily Mail", als die Trennung wohl schon beschlossene Sache war. Nicht auszuschließen, dass in naher Zukunft die eine oder andere Anfrage bei ihm eingeht. Zunächst wird er allerdings als TV-Experte bei Eurosport anheuern, wie der Sender am Mittwoch mitteilte.

(areh)
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