Niederlage und Hymnen-Eklat Fed-Cup-Partie auf der Trauminsel wird zum Albtraum

Düsseldorf/Maui · Der Eklat um die Nationalhymne, die Verletzung von Julia Görges und der unerklärliche Einbruch von Andrea Petkovic: Die deutschen Tennis-Damen erleben auf der Trauminsel Maui/Hawaii ein Fed-Cup-Wochenende zum Vergessen und spielen nun gegen den Abstieg.

Fed Cup 2017: Coco Vandeweghe holt entscheidenden Punkt gegen Andrea Petkovic
6 Bilder

Vandeweghe holt entscheidenden Punkt gegen Petkovic

6 Bilder
Foto: ap, MT

Andrea Petkovic hatte ihre Nerven nicht im Griff. Im dritten Einzel, das Deutschland unbedingt gewinnen musste, um noch eine Chance aufs Weiterkommen zu haben, sah die Deutsche gegen Coco Vandeweghe schon wie die sichere Siegerin aus. Petkovic führte 6:3, 4:2 und 40:15, ihre Gegnerin wirkte angeschlagen. Doch dann brach Petkovics Spiel komplett auseinander. Sie machte kein einziges Spiel mehr und verlor am Ende mit 6:3, 4:6, 0:6.

"Es ist schwierig für mich, das in Worte zu fassen, weil ich in dem Moment selbst nicht so genau weiß, was da mit mir passiert", sagte Petkovic bei der anschließenden Pressekonferenz. Ihre Gegnerin ließ sich in der Phase, in der das Match kippte, immer wieder wegen Problemen mit der Hitze behandeln, legte die Beine hoch und wurde mit Eiswürfeln abgerieben. "Ich habe nicht rübergeschaut, aber es war natürlich ständig irgendwie Pause. Ich wurde ständig aus meinem Rhythmus rausgeholt", sagte Petkovic. "Es ist etwas anderes, wenn du ein Match einfach durchspielst. Das ist schwierig zu erklären für Leute, die vielleicht selbst noch nie Tennis gespielt haben. Aber im Tennis entsteht ein Flow, und wenn du führst, kannst du mit jedem Punkt einen weiteren Stich setzen. Das war schwer mit den ganzen Unterbrechungen, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich verloren habe."

Während des Spiels war Petkovic sichtlich genervt von Vandeweghe gewesen. Als die US-Amerikanerin nach dem Gewinn des zweiten Satzes auch noch um eine längere Pause bat, um ihre Schuhe wechseln zu können, platzte Petkovic der Kragen. "Das ist lächerlich! Hier ist alles erlaubt", schimpfte sie. Nach dem Spiel gab sie sich aber selbstkritisch und suchte die Schuld allein bei sich. "Das größte Problem war, dass ich bei 4:3 ein schlechtes Spiel spiele, unabhängig von allen Unterbrechungen. Da kann ich das 5:3 machen und dann sehen wir, wie es weitergeht. Aber ich mache zwei unnötige Vorhandfehler und einen unnötigen Rückhandfehler. Da lag es in meiner Hand. Das ist dann einfach schlecht gespielt von mir."

Petkovic versuchte zu erklären, wie sie sich gefühlt hatte, als es zu dem Einbruch kam. "Wenn es nicht so läuft, kommt wie so eine kleine Paralyse in mich. Dann kommen viele Sachen zusammen", sagte sie. Teamchefin Barbara Rittner sah hilflos mit an, wie Petkovic ein Spiel nach dem anderen abgab. "Nachdem das so schnell weglief, war ich wie in Schockstarre", sagte Rittner, die sich nach eigenen Worten schon auf das nächste Einzel gefreut hatte. Zu früh, wie sich herausstellte.

Nach dem Spiel sank Vandeweghe zu Boden, ließ sich von ihren Teamkolleginnen feiern und Petkovic lange auf das übliche Handshake warten. Bei vielen Fans — auch amerikanischen — machte sie sich damit unbeliebt, die frühere US-Spielerin Mary Carillo, die die Partie fürs US-Fernsehen kommentierte, kritisierte Vandeweghe ebenfalls. Man müsse immer zuerst die Hand der Gegnerin schütteln, bevor man sich feiern ließe, betonte sie. Petkovic aber gratulierte beim verspäteten Handshake fair, wenn auch für ihre Verhältnisse unterkühlt: "Gut gespielt".

Der Einbruch von Petkovic war der negative Höhepunkt eines Wochenende zum Vergessen, das mit dem Eklat um die Nationalhymne begonnen hatte. Bei der Eröffnungszeremonie am Samstag im Royal Lahaina Resort hatte ein Solist die erste Strophe des Deutschlandliedes ("Deutschland, Deutschland über alles") gesungen. "Die Tatsache, dass im Jahr 2017 eine falsche Hymne gespielt wird, die man mit viel Grausamkeit aus der lange zurückliegenden Vergangenheit assoziiert, war für die Spielerinnen, die Betreuer, die anwesenden Funktionäre sowie die deutschen Fans gleichermaßen verstörend wie schockierend", sagte DTB-Präsident Ulrich Klaus. Der amerikanische Verband USTA hatte sich mehrfach für die peinliche Panne entschuldigt und eine Untersuchung angekündigt, wie es dazu kommen konnte. Der Sänger arbeitet hauptberuflich als Lehrer.

Petkovic hatte danach ihr erstes Einzel gegen Alison Riske etwas überraschend in zwei Sätzen verloren. Im zweiten Einzel verletzte sich Julia Görges gegen Vandeweghe am Knie und konnte das Match, das wegen Regens unterbrochen wurde, am nächsten Tag nicht fortsetzen. Eine Untersuchung in Deutschland soll Klarheit über die Schwere der Verletzung bringen. Auch Laura Siegemund klagte über gesundheitliche Probleme. Im abschließenden unbedeutenden Doppel gab sie wegen einer Armverletzung auf.

Für die deutschen Damen, die ohne ihre Nummer eins Angelique Kerber angetreten waren — die Weltranglisten-Zweite wollte sich wegen ihres straffen Turnierplans den Reisestress nicht antun — heißt es nun Abstiegskampf. Mögliche Gegner in der Relegation im April sind Spanien, Vorjahresfinalist Frankreich, Russland, Ukraine, Slowakei (alles Heimspiele) sowie die Niederlande und Belgien (Heimrecht würde gelost werden). Selbst mit Kerber wäre keine der Partien auch nur ansatzweise ein Selbstläufer.

Für Petkovic dürfte der Auftritt schwer zu verdauen sein. "Es ist schade, dass so ein schöner Ort für uns jetzt mit solch schlechten Erinnerungen verbunden ist", sagte sie über den Trip nach Hawaii. In der Weltrangliste steht Petkovic derzeit nicht mehr in den Top 50. Das Fed-Cup-Wochenende dürfte das Selbstbewusstsein der ehemaligen Top-Ten-Spielerin nicht gestärkt haben.

(areh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort