Überraschungsfinalistin in Paris Ostapenko schlägt härter als Murray

Paris · Jung, frech, furchtlos: French-Open-Finalistin Jelena Ostapenko hat beste Voraussetzungen, das Gesicht der "Next Generation" zu werden. Im Finale trifft die 20-jährige Lettin am Samstag auf Simona Halep aus Rumänien.

French Open 2017: Jelena Ostapenko schlägt Timea Bacsinzsky
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Ostapenko zieht gegen Bacsinzsky ins Finale ein

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Für einen kurzen Moment war Jelena Ostapenko die junge, ganz normale 20-Jährige von nebenan. "Oh, jetzt habe ich die Frage vergessen, sorry!", sagte die lettische Überraschungs-Finalistin der French Open - und kringelte sich während der Pressekonferenz vor Lachen.

Am Samstag könnte sich das Leben von "Miss 100.000 Volt", wie die L'Equipe sie wegen ihrer Hau-drauf-Mentalität auf dem Platz taufte, schlagartig ändern. Ein Sieg gegen Simona Halep (Rumänien/Nr. 3) im Endspiel von Paris fehlt der ungesetzten Ostapenko noch zur sportlichen Unsterblichkeit, zur Krönung eines ungewöhnlichen Siegeszuges, zum großen Grand-Slam-Coup - und kurioserweise zu ihrem ersten Titel auf der Tour überhaupt.

Ostapenko tanzt am liebsten Samba

"Daran denke ich nicht. Ich will einfach nur Spaß haben, alles genießen und vor allen Dingen weiter aggressiv spielen", meinte die Weltranglisten-47. Die ehemalige Turniertänzerin ("Am liebsten Samba") könnte die am schlechtesten platzierte Spielerin sein, die das bedeutendste Sandplatzturnier in der Open Era (seit 1968) gewinnt.

Aber vor allen Dingen wäre sie auch die jüngste Paris-Königin seit der Kroatin Iva Majoli 1997 - in diesem Jahr wurde Ostapenko geboren.

Kein Wunder, dass viele in der Wimbledon-Juniorensiegerin von 2014 das Gesicht der "Next Generation" sehen, die das Machtvakuum in der Weltspitze füllen könnte. Der Altersdurchschnitt der Top Ten beträgt derzeit immerhin 27,2 Jahre.

"Die Spielerinnen aus meinem 1997er-Jahrgang sind stark", sagte Ostapenko, "und es ist schon so etwas wie die nächste Generation, die da Druck macht."

Statistiker haben herausgefunden, dass die Tochter eines Profifußballers die Vorhand in diesen Tagen im Schnitt (122,3 km/h) härter über das Netz hämmert als der britische Weltranglistenerste Andy Murray (117,5 km/h). Bezeichnend für das noch schlummernde Potenzial, dass Agatha-Cristie-Fan Ostapenko sagt: "Eigentlich ist die Rückhand mein Lieblingsschlag." In sechs Partien hat sie schon 245 Winner verbucht.

Halep kann Kerber als Nummer eins ablösen

In den knapp zwei Turnierwochen bis zum Finale hat Ostapenko fast soviel verdient wie in ihrer bisherigen Karriere - rund 1,1 Millionen Dollar. Sogar Lettlands Präsident Raimonds Vejonis hat schon mit Ostapenkos Mutter telefoniert. "Meine Nummer hat er nicht", witzelte die Sekrechtstarterin, die zuvor bei einem Grand-Slam-Event noch nie über die zweite Runde hinausgekommen war.

Für Halep steht nicht nur der Gewinn ihres ersten Major-Titels auf dem Spiel, sondern auch die Weltranglisten-Spitze. Sollte sich die 25-Jährige am Samstag den Coupe Suzanne Lenglen sichern, würde sie im neuen WTA-Ranking am Montag Angelique Kerber (Kiel) vom Platz an der Sonne verdrängen.

"Es ist eine große Herausforderung gegen eine junge Spielerin wie Jelena. Aber ich denke, ich habe die Mentalität und das Spiel für den Sieg", sagte Halep, die im Viertelfinale gegen Jelina Switolina einen Matchball abgewehrt hatte. Die letzte, der das auf dem Weg zu einem Grand-Slam-Triumph gelang, war übrigens Kerber - 2016 in Melbourne.

(sid)
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