French Open Wawrinka verhindert Karriere-Grand-Slam von Djokovic

Paris · Als erster spendete der frischgekürte Sandplatzkönig Trost. Der höfliche Eidgenosse Stan Wawrinka merkte, wie sehr ihn Novak Djokovic nötig hatte. "Ich hoffe", sagte Wawrinka, "dass er eines Tages in Roland Garros gewinnt, einfach weil er ein großer Champion ist". Auch das französische Publikum, oft eigenwillig und schnell reizbar, schloss sich an. Minutenlang feierten die Fans den fairen Verlierer. Djokovic kämpfte vergeblich gegen die Tränen.

French Open: Stan Wawrinka krönt sich zum König von Paris
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Wawrinka krönt sich zum König von Paris

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Foto: afp, rt

Auch Wawrinkas Augen glänzten verdächtig, als die Schweizer Nationalhymne gespielt wurde. Mit dem Coupe des Mousquetaires im Arm genoss er den Moment, der ihn endgültig aus Rogers Federers langem Schatten befreite. "Das war das Match meines Lebens", sagte Wawrinka nach seinem zweiten Majortitel: "Gegen Novak ist es immer eine unglaubliche Herausforderung." Sein Landsmann Federer gratulierte via Twitter. "CHAMP", schrieb der 17-malige Grand-Slam-Sieger.

Mit 4:6, 6:4, 6:3 und 6:4 hatte Wawrinka in einem mitreißenden Finale der French Open Djokovics Titeltraum beendet. Der Branchenführer aus Serbien, in dieser Saison bis dato der alles überragende Spieler, muss damit mindestens ein weiteres Jahr auf die Erfüllung seiner Sehnsucht warten. Andre Agassi, Rafael Nadal und Federer bleiben vorerst die einzigen Spieler in der Geschichte des Profitennis, die alle vier Grand-Slam-Titel gewonnen haben.

"Es ist nicht schön bei der Siegerehrung erneut als Zweiter dort zu stehen, aber ich habe gegen einen mutigeren Spieler verloren, der es verdient hat", sagte Djokovic: "Aber das gibt mir nur noch mehr Motivation, um es weiter zu versuchen."

Wie 2012 und 2014 gegen den Spanier Nadal unterlag Djokovic im Endspiel auf dem Court Philippe Chatrier einem besseren Kontrahenten. Dem 28-Jährigen, der sich selbst auf dem Zenit seines Könnens wähnt, droht das gleiche Schicksal wie seinem Trainer Boris Becker. Der langjährige Leimener und heutige Londoner war Zeit seiner Karriere vergeblich dem Titel in Paris nachgejagt.

Einen Satz brauchte Wawrinka, um sich an Djokovics variables Spiel zu gewöhnen, dann setzte er seine Ankündigung in die Tat um. "Wenn ich mein Spiel durchziehe", hatte Wawrinka gesagt, "ist er nicht glücklich. Das weiß ich." Das Spiel des Australian-Open-Siegers von 2014 besteht aus präzisen Geschossen, abgefeuert von der Grundlinie mit Vorhand und Rückhand gleichermaßen kraftvoll.

Wawrinka, der im Viertelfinale Federer erstmals bei einem Grand Slam bezwungen hatte, hielt sich nicht eine Sekunde mit dem Satzverlust auf. Seit seinem Sieg in Melbourne sei er gelassener geworden, er wisse nun, dass er auch die besten Spieler auf der Welt schlagen könne. Das Pariser Publikum trieb Wawrinka zusätzlich an.

Der 30-Jährige aus Lausanne dankte es mit Zauberschlägen, im dritten Satz feuerte er eine Rückhand am Netzpfosten vorbei ins Feld. Djokovic schien angezählt, er versuchte sogar mit der ungeliebten Aufschlag-Volley-Kombination die achte Niederlage in seinem 16. Majorfinale abzuwenden.

Verzweifelt blickte Djokovic in seine Box, suchte den Kontakt zu Becker, als Wawrinka nach einem epischen Ballwechsel von 30 Schlägen Djokovics Vorteil im vierten Satz geraubt hatte. Zum entscheidenden Break bei 4:4 schlug eine Rückhand die Linie entlang neben Djokovic ein.

Becker hatte geahnt, dass Wawrinka für seinen Schützling die größte Herausforderung bei den French Open werden würde. "Stan ist seit seinem Erfolg in Melbourne beständig einer der besten Spieler der Welt - auf jedem Belag. Wenn Stan in Form ist und sich gut fühlt, dann ist er sehr schwierig zu spielen", sagte Becker.

Zudem fühlt sich Wawrinka auf roter französischer Asche besonders wohl, vor zwölf Jahren gewann er den Juniorentitel in Roland Garros, im November 2014 führte er die Schweiz in Lille zum historischen ersten Davis-Cup-Titel.

(sid)
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