Dopinggeständnis von Scharapowa Diagnose Spitzensport

Düsseldorf · Maria Scharapowa droht eine Dopingsperre. Sie hat ein seit 1. Januar im Sport verbotenes Medikament genommen. Der Missbrauch von Arzneimitteln ist weit verbreitet.

Das ist die verbotene Substanz Meldonium
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Das ist die verbotene Substanz Meldonium

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Foto: ap

Maria Scharapowa blickt tief betrübt drein, als sie ihre Version erzählt. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die für ihren sportlichen Erfolg bereit gewesen ist, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Seit zehn Jahren, erzählt die Russin, als sei es das Normalste auf der Welt, nimmt sie das Medikament Mildronat. Es wird bei Herzerkrankungen, Infarkten und Diabetes verschrieben. Laut Angaben des Herstellers sollte es nicht länger als vier bis sechs Wochen genommen werden. In dem Präparat ist die verbotene Substanz Meldonium enthalten. "Die positiven Effekte des Wirkstoffs sind eine höhere physische und mentale Belastbarkeit sowie eine schnellere Regeneration", sagt Dopingforscher Mario Thevis von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Offiziell steht das Mittel, das überhaupt nur in Russland und den baltischen Staaten zugelassen ist, erst seit dem 1. Januar auf der Dopingliste. Eine entsprechende Information darüber, ließ die 28-Jährige wissen, habe sie nicht gelesen. Ob das so stimmt, ist freilich nicht von allzu großer Relevanz. Viel erschreckender ist, wie wenig sie sich um die Langzeitfolgen für sich selbst geschert hat - denn die sind völlig unkalkulierbar. Scharapowa, eine der erfolgreichsten, reichsten Sportlerinnen der Welt, waren die Risiken und Nebenwirklungen offenbar komplett egal. Sie wollte funktionieren - um jeden Preis. Meldonium ist auf dem Index gelandet, nachdem es in einer Studie mit 8300 Dopingproben in 2,2 Prozent der Fälle nachgewiesen werden konnte - exakt 182 Mal. Ratten, so wurde nachgewiesen, konnten deutlich schneller schwimmen, wenn sie die Substanz in ihrem Körper hatten.

Der Arzt der Familie habe das Mittel verschrieben. "Ich wurde oft krank", gibt die frühere Nummer eins der Weltrangliste zu Protokoll. "Ich hatte Magnesiummangel. Ich hatte ein unregelmäßiges EKG, und ich hatte Fälle von Diabetes in der Familie sowie Anzeichen von Diabetes bei mir." In medizinisch begründeten Fällen kann man eine Ausnahmeregel erwirken, Scharapowa hat das nie gemacht.

Nun ist Scharapowa während der Australian Open positiv getestet worden. Sie hat das Ergebnis bereits akzeptiert und auf die Öffnung der B-Probe verzichtet. Die Weltranglisten-Siebte ist vom Weltverband ITF zunächst bis zum Abschluss der Ermittlungen suspendiert worden. Experten halten eine Sperre von zwei Jahren für realistisch, ihr Anwalt spricht von mildernden Umständen und hofft auf einen Freispruch.

Viele Spitzensportler erwecken den Eindruck, sie seien sehr, sehr krank und reif für die Klinik. Junge Athleten, die im Stande sind, Extremleistungen zu vollbringen. Sie behaupten, sie seien Asthmatiker und nutzen Pumpsprays, um beispielsweise besser atmen zu können. Bei der Tour de France und bei Eisschnelllauf-Wettbewerben bekommt man so das Gefühl, als seien gesunde Menschen überhaupt nicht in der Lage, dort mitzumachen.

Der Fall Scharapowa offenbart den Zustand des Spitzensports ganz gut. Immer mehr Athleten sind bereit, den eigenen Körper mit Medikamenten auszutricksen. Um über einen längeren Zeitraum Höchstleistungen zu erbringen, nehmen zum Beispiel viele Profis Schmerzmittel in höchster Dosierung. Bei den Handballern wurde während der EM vom Teamarzt offen ausgeplaudert, man habe den Spielern auf Wunsch Schlafmedikamente verabreicht, damit sie schneller zur Ruhe finden konnten. "Medikamente, die normale Menschen in den Tiefschlaf bringen, funktionieren bei manchen Spielern gar nicht. Die Jungs sind nach einem Spiel vollgepumpt mit Adrenalin und kommen nur schwer runter", verriet Mediziner Kurt Steuer. "Denen gebe ich ein Medikament, nach dem sie normalerweise nicht mehr verkehrstüchtig sind."

Von derartigen Praktiken geht ein fatales Signal aus: Alles ist mit ein paar Mittelchen auf Rezept regulierbar. Und so gibt es mittlerweile auch im Breitensport massive Probleme mit Medikamentenmissbrauch. Jeder neunte Sportler hat beim Training oder im Wettkampf schon zu Schmerzmitteln gegriffen - auch wenn es, wie bei Bänderdehnungen oder einem verstauchten Knöchel angeraten wäre, eine Auszeit zu nehmen. Der Deutsche Olympische Sportbund ist alarmiert und versucht mit Aktionen, die Hobbyathleten zu sensibilisieren - auch rezeptfreie Medikamente sollten nicht ohne Not eingenommen werden.

Ein Appell, der vermutlich nicht ankommt, solange die Idole auf der großen Bühne ein falsches Spiel treiben.

(gic)
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