Der "Minimalist" wird 75 Niki Pilic: "Geh raus, mach' Break"

München/Köln · Am Mittwoch wird Niki Pilic 75 Jahre alt. Der gebürtige Kroate hat die große deutsche Davis-Cup-Ära an maßgeblicher Stelle mitgestaltet. Was nicht heißt, dass er je mit Kritik an Boris Becker sparte.

 Pilic als Davis-Cup-Coach von Kroatien.

Pilic als Davis-Cup-Coach von Kroatien.

Foto: AFP

Für seine minimalistische Form des Coachings ist Niki Pilic oft belächelt worden. "Geh raus, mach' Break". Fertig. Doch nicht nur Boris Becker wusste dann, was zu tun war. So erfolgreich wie mit dem stets höflich-reservierten Pilic, der am Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert, ist eine deutsche Davis-Cup-Mannschaft vorher und nachher nie gewesen.

Auch nicht mit Teamchef Becker, der den gebürtigen Kroaten 1997 nach 16 Jahren stürzte und in dem Amt scheiterte. "Ich habe nie verstanden, dass er meinen Job wollte", sagt Pilic heute: "Ein so extrovertierter Typ wie er will immer selber in der ersten Reihe stehen. Aber dort gehören im Davis Cup nur die Spieler hin."

Überhaupt hat Pilic nie mit Kritik an seinem früheren Schützling gespart. Als Becker Anfang des Jahres überraschend beim derzeitigen Weltranglistenersten Novak Djokovic (Serbien) anheuerte, wunderte sich auch der weise Coach aus München. "Auf jeden Fall muss er seinen Lifestyle ändern", empfahl Pilic dem Trainer-Novizen Becker damals.

Vor dem spielerischen Talent des dreimaligen Wimbledonsiegers hatte der Mann aus Split aber immer allerhöchsten Respekt. "Ein Boris Becker", der werde vielleicht nur alle 500 Jahre geboren, ist Pilic überzeugt.

Er wird es wissen, denn seine größte Zeit mit drei Davis-Cup-Titeln erlebte Pilic als Teamchef des Deutschen Tennis Bundes. Becker und Michael Stich hießen seine Protagonisten - 1988 und 1989 war der extrovertierte Becker der alles überragende Fixstern, 1993 der seriöse Michael Stich ein verlässlicher Anführer.

Hier der egomanische Feuerkopf, dort der kühle Hanseat - in seltenen Momenten schaffte Pilic es sogar, die beiden unter einen Hut zu bringen. 1992 in Barcelona wurden Becker und Stich gemeinsam Olympiasieger, und in jenen Tagen habe er in vielen Einzelgesprächen viel lügen müssen, um beide bei Laune zu halten, verriet Pilic einmal im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Davis Cup 2009: das Finale
17 Bilder

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Sich selbst stellte Pilic nie in den Vordergrund, er überließ die große Bühne immer seinen Spielern. Manchmal schien es so, als nehme er überhaupt keinen Einfluss, wenn er während des Trainings stundenlang kerzengerade mit einem Schläger unter dem Arm als stummer Beobachter an der Seitenlinie stand.

Laut wurde Pilic sowieso nie, seine größte Gabe war es, unterschiedlichste Charaktere zu einer Mannschaft zu formen, sie bei Laune zu halten, individuelle Macken mit einem feinen Lächeln zu dulden und so einen ganz speziellen Teamgeist zu kreieren.

So wie als Berater des serbischen Teams, bei dem der Kroate nur deshalb nicht offiziell Teamchef war, weil er nicht den "passenden" Pass hat. Mit dem Team um Djokovic, der einst als 13-jähriger Junge in Pilics Tennisakademie nach München-Oberschleißheim kam und dort zum Weltklassespieler reifte, gewann er 2010 die Davis-Cup-Trophäe.

Der siebenmalige Grand-Slam-Champion Djokovic, der bei den derzeit in New York stattfindenden US Open den Titel anpeilt, hatte seinen väterlichen Freund und Mentor 2007 überredet, Verantwortung im serbischen Team zu übernehmen. "Er hat mittags gefragt, und ich habe abends zugesagt", erzählte Pilic, der Coach mit der preußischen Disziplin.

Heikel sei seine Mission manchmal gewesen, gab er zu: "Aber ich bin Sportler, kein Politiker. Ich kenne keine Grenzen." Und außerdem hatte Pilic ja auch die Kroaten schon zum Davis-Cup-Sieg geführt: 2005 war das, damals noch mit Frontmann Goran Ivanisevic.

Fünf Davis-Cup-Titel hat Nikola "Niki" Pilic gewonnen - mit drei Nationen. Am Mittwoch hat er wieder Grund zu feiern. Dann allerdings aus einem anderen Grund.

(sid)
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