Aufreger bei den US Open "Hat Coco gerade ein Interview nach dem ersten Satz gegeben?"

Düsseldorf · Coco Vandeweghe hat bei den diesjährigen US Open für eine Premiere gesorgt. Noch während ihres Erstrundenmatches ließ sie sich interviewen. Während sich Profikollegen überrascht zeigen, erklärte die US-Amerikanerin: "Ich erinnere mich an nichts mehr."

Eigentlich ist das Prozedere bei den Grand-Slam-Turnieren ganz einfach: Der Veranstalter selber lässt nach dem Match ein Interview mit dem Gewinner führen. Danach folgen für den Spieler noch weitere Gespräche vor der Kamera, bei der Pressekonferenz dürfen dann auch die restlichen Journalisten ihre Fragen loswerden. Bei den US Open 2015 wurde dieser Ablauf ein wenig beschleunigt. Nach dem ersten Satz zwischen Vandeweghe und ihrer Landsfrau Sloane Stephens betrat plötzlich Pam Shriver, ehemalige Profispielerin und nun für den TV-Sender "ESPN" tätig, den Platz. Sie setzte sich neben Vandeweghe und führte kurzerhand ein rund 30-sekündiges Interview mit der Spielerin.

Und so erzählte die US-Amerikanerin, die noch sichtlich aus der Puste war, dass sie wirklich zufrieden mit dem letzten Spiel gewesen sei. "Ich habe den Druck hochgehalten und habe nur gedacht: 'Sei aggressiv auf die zweiten Aufschläge, die du bekommst und bleib auch aggressiv im Ballwechsel'", erklärte Vandeweghe offen und gab Einblick in ihre taktischen Maßnahmen für die kommenden Aufschlagspiele: "Ich muss mich erstmal auf mein erstes Aufschlagsspiel konzentrieren. Mich auf die Sachen fokussieren, die geklappt haben. Und ich muss aggressiv sein, so dass ich weiterhin die Oberhand behalte."

So banal die Analyse auch gewesen sein mag. Interessant war es allemal — und ein absolutes Novum. Noch nie kam es während eines Matches zwischen zwei Profis zu einem Live-Interview. "Pam hat mir erklärt, dass sie rauskommen und mir zwei Fragen stellen würde. Wenn ich sie nicht dort haben wollte, hätte ich mich zu jeder Zeit bemerkbar machen können. Ich hätte es zwei Sekunden vorher sagen können, bevor sie auf den Platz gekommen wäre. Aber ich gab ihr das Nicken, zu kommen und dann ist es passiert", sagte die Weltranglisten-45. auf der Pressekonferenz nach der Partie: "Ich bin ein Sportfan. Es ist gut, wenn man einen Einblick in den Kopf eines Athleten bekommt."

Sie hatte schon Angst, dass sie möglicherweise den Fokus verlieren würde. Allerdings: "Wir dürfen ja auch bei verschiedenen Turnieren auf dem Platz gecoacht werden. Da könntest du auch deine Konzentration verlieren, weil du ja mit jemanden sprichst." Das passierte aber bei den US Open ganz offenbar nicht. Die 23-Jährige gewann auch den zweiten Satz und setzte sich gegen ihre an Position 29 gesetzte Konkurrentin Stephens 6:4 und 6:3 durch. An das Gesagte am Interview könne sie sich aber gar nicht erinnern, so Vandeweghe: "Ich erinnere mich an gar nichts, was ich gesagt habe. Ernsthaft."

Dafür wussten ihre Kollegen umso besser, was auf dem Platz vorgefallen war. Das Thema wurde bei den Stars der Szene heiß diskutiert. "Es ist großartig für einige Zuschauer, während eines Matches in die Köpfe der Athleten zu schauen. Vielleicht ist das die Zukunft des Tennis. Aber hoffentlich machen sie daraus keine Pflicht. Ich bin eine altmodische Spielerin", erklärte Serena Williams — nach ihrer Partie. In dieselbe Kerbe schlug Novak Djokovic: "Ich denke, dass es interessant ist. Es hängt von Spieler zu Spieler ab. Ich weiß nicht, inwieweit das im Tennis funktionieren wird."

Roger Federer übte schon deutlicher Kritik. Er könne es nicht befürworten, dass "ESPN" den direkten Weg zur Spielerin gesucht und nicht zunächst mit den Spielerorganisation ATP (Herren) und WTA (Damen) gesprochen habe. Außerdem sagte der Schweizer, dass man nicht sein Spiel "beeinflussen lassen will". Caroline Wozniacki zeigte sich derweil überrascht und twitterte: "Habe ich gerade Coco ein Interview nach dem ersten Satz führen sehen? Du willst dich doch bestimmt auf dein Spiel da draußen konzentrieren? Nein?"

Es gab allerdings auch positives Feedback für Vandeweghe. "Ich habe das Interview nach dem ersten Satz geliebt. Schön gemacht", schrieb die Weltranglisten-76. Jarmila Gajdosova ebenfalls auf Twitter.

Ob sich diese Form von Live-Interview letztlich durchsetzten wird, ist fraglich. Zumindest Federer bezweifelt es stark: "Ich verstehe die Anfrage. Aber ich bin mir nicht sicher, ob so viele Spieler es wirklich machen werden."

(cfk)
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