Heftige Reaktionen auf neuen Vorschlag "Das ist das Todesurteil für den Davis Cup"

Düsseldorf · Seit Jahren staubt der Davis Cup vor sich hin, die absoluten Topstars spielen nur noch selten für ihr Land. Nun plant der Tennis-Weltverband eine Revolution - und erntet ein extrem gespaltenes Echo. Auch in Deutschland ist man sich uneins.

 Die französischen Spieler feiern in Lille den Triumph im Davis Cup 2017. Wenn es nach dem Weltverband geht, sind solche Heimspiele bald Geschichte.

Die französischen Spieler feiern in Lille den Triumph im Davis Cup 2017. Wenn es nach dem Weltverband geht, sind solche Heimspiele bald Geschichte.

Foto: ap, BC

Nach den Plänen des Tennis-Weltverbandes ITF soll der traditionsreiche Team-Wettbewerb ab 2019 nicht mehr in mehreren Runden über das gesamte Jahr verteilt ausgetragen werden. Stattdessen ist eine "Weltmeisterschaft der 18 besten Nationen" in einer Woche an einem Ort im November geplant, wie der Verband am Montag mitteilte. Dafür präsentierte die ITF nun einen Großsponsor, der dem Vernehmen nach eine Riesensumme zur Verfügung stellen wird.

Das bisherige Format, in dem die Teams an bis zu vier verschiedenen Spieltagen pro Jahr an je einem Wochenende im Land einer der zwei Manschaften gegeneinander spielen, wäre Geschichte. Und damit auch Heimspiele sowie die besondere "Fußball-Atmosphäre" beim Davis Cup.

Den Plänen zufolge soll es in der Finalwoche zunächst Gruppenspiele geben, ehe es ab dem Viertelfinale mit K.o.-Modus weitergeht. Jede Partie soll aus zwei Einzeln und einem Doppel bestehen. Bislang finden im Davis Cup pro Partie vier Einzel und ein Doppel auf drei Tage verteilt statt.

Der Vorstoß von ITF-Präsident David Haggerty ließ heftige Reaktionen folgen. Rafael Nadal begrüßte die Initiative. "Die Debatte um den Davis Cup läuft schon seit Jahren. Das ist eine gute Idee, die funktionieren könnte", sagte der Spanier der Sporttageszeitung "Marca". Ähnlich äußerte sich der frühere US-Profi Andy Roddick auf Twitter. Die Änderungen seien unvermeidlich, damit der Davis Cup überleben könne, sagte die frühere Nummer eins der Welt.

Der Davis Cup leidet seit Jahren unter den Absagen zahlreicher Spitzenspieler. Im engen Terminplan der ATP-Tour finden die Nationenduelle kaum noch Platz, die erste Runde in diesem Jahr wurde eine Woche nach den Australian Open ausgetragen. Alexander Zverev (Hamburg), Dominic Thiem (Österreich) und David Goffin (Belgien) waren dabei als einzige Top-10-Spieler am Start.

Dennoch stößt der Vorschlag nicht überall auf Gegenliebe. Vor allem in Frankreich, dem Land des amtierenden Champion, reagierten Spieler und Verantwortliche geschockt. "Das ist das Ende des Davis Cups. Welch Tristesse", twitterte der langjährige Davis-Cup-Kapitän Yannik Noah und fügte an, man habe die Seele eines historischen Wettbewerbs verkauft.

Der französische Profi Lucas Pouille, der im vergangenen Jahr im Finale gegen Belgien den entscheidenden Punkt für die "Grande Nation" geholt hatte, sprach am Rande des ATP-Turniers in Dubai von einem "Todesurteil" für Wettbewerb. "Wenn du nicht mehr zu Hause spielst oder in dem Land deines Gegners, dann ist das nicht der Davis Cup. Ich finde, das ist eine schlechte Idee."

Die Reaktionen aus Frankreich sind wenig überraschend. Die Franzosen lieben den Länderkampf, im vergangenen Jahr gewannen sie den Wettbewerb schon zum zehnten Mal. Die Hallen in Frankreich sind in der Regel brechend voll, das Finale gegen Belgien fand im Fußballstadion von Lille statt, an jedem der drei Tage waren 27.000 Zuschauer im Stadion. Die Topstars reißen sich darum, für Frankreich zu spielen. Doch das ist bei anderen Nationen anders.

"Das aktuelle Format über vier Spiele - wenn man das Finale erreicht - ist zeitlich und sportlich kaum noch zu machen. Zumindest nicht für einen Weltklassespieler jedes Jahr", sagte die deutsche Tennis-Legende Boris Becker bei den Laureus Awards. Er hält das aktuelle Format für nicht mehr zeitgemäß und wünscht sich Veränderungen. "Es ist zwar der wichtigste und älteste Mannschaftswettbewerb im Tennis, aber er ist ein bisschen verstaubt", sagte der 50-Jährige, der mittlerweile beim Deutschen Tennis Bundes (DTB) als "Head of Tennis" arbeitet. "Es ist gut, dass die ITF ein neues Format über eine Woche oder zehn Tage kreieren möchte. Ich glaube, es wird von den Spielern befürwortet."

Das sieht allerdings nicht jeder in Deutschland so. Die Spitze des DTB kritisierte den Vorstoß massiv. "Dem Vorschlag fehlt jegliche Substanz", sagte DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff dem SID: "Eine Umsetzung des Plans würde außerdem nichts anderes bedeuten als die Aufgabe des Davis Cups. Ich befürchte, dass der einzig profitable Wettbewerb der ITF mit mehr als 100-jähriger Tradition auf amerikanische Weise abgewickelt werden soll."

Viele Tennis-Fans sind der Meinung, im Davis Cup ginge es nicht darum, die besten Spieler der Welt zu sehen. Es sei ein Team-Wettbewerb, bei dem nicht Stars, sondern Mannschaften im Vordergrund stehen und bei dem und auch mal überraschende Heldengeschichten geschrieben würden, so die Meinung vieler in den sozialen Netzwerken. Zudem gibt es Zweifel, ob die Top-Stars am Ende einer langen Saison im November tatsächlich eine Woche für den Davis Cup opfern würden.

Allerdings ist ohnehin fraglich, ob das Vorhaben des ITF-Vorstands um Präsident Haggerty (USA) tatsächlich in die Tat umgesetzt werden kann. Bei der nächsten Mitgliederversammlung im August in Orlando/Florida braucht der Vorschlag eine Zweidrittelmehrheit. 2017 war der Plan, die Endspiele im Davis- und Fed-Cup auf neutralem Boden auszutragen, bereits vor der Abstimmung auf dem Verbandstag in Ho-Chi-Minh-Stadt/Vietnam gescheitert.

Mit Agenturmaterial.

(areh)
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