Wimbledon-Finale Kerber kann auf Graf folgen — und erneut deren Rekord retten

London · Angelique Kerber kann als erste Deutsche nach Steffi Graf vor 20 Jahren den Titel im Tennismekka Wimbledon gewinnen. Nur noch die große Serena Williams steht zwischen ihr und dem Triumph an der Church Road.

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Kerber besiegt Venus Williams im Halbfinale

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Angelique Kerber sank überwältigt auf den Rasen im Tennis-Heiligtum Wimbledon und starrte entgeistert über den Centre Court, als hätte sie der Erfolg selbst überrascht. Nach dem Sieg im ersten Teil ihres persönlichen Sister Acts gegen die Williams-Schwestern steht nur noch die große Serena zwischen Kerber und dem Triumph beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt.

"Das ist einfach unglaublich. Es war immer ein Traum von mir, hier im Endspiel auf dem Centre Court zu stehen", sagte Kerber nach dem 6:4, 6:4 im Halbfinale gegen Altmeisterin Venus Williams (36) aus den USA: "Es ist ein schönes Gefühl, die Euphorie muss aber noch zwei Tage warten. Im Endspiel muss alles passen."

Fünfte deutsche Frau im Finale

Am Samstag, ab 15 Uhr deutscher Zeit (Live-Ticker), 20 Jahre nach Steffi Grafs letztem Titelgewinn im All England Club, hat Kerber die Chance, die deutsche Erfolgsgeschichte im Rasenmekka an der Church Road fortzuschreiben. Nach Cilly Aussem, Hilde Krahwinkel, Graf und Sabine Lisicki ist sie die fünfte deutsche Finalteilnehmerin in der 130-jährigen Wimbledongeschichte. Jetzt wartet aber die größte anzunehmende Herausforderung: die 21-malige Grand-Slam-Siegerin Serena Williams, und die auch noch in Bestform.

Die deutschen Tennis-Fans können mitfiebern. Der Pay-TV-Sender Sky zeigt das Finale kostenfrei im Internet. Kerber soll die Sehnsucht nach der ersten Wimbledon-Siegerin seit Steffi Graf 1996 stillen. Um es besser zu machen als Sabine Lisicki im Endspiel vor drei Jahren, will sie den Druck und das Interesse an ihrem Auftritt ausblenden. Nervös wird sie ohnehin sein.

Im kürzesten Wimbledon-Halbfinale seit Beginn der Zeitmessung im Jahr 2002 zerstörte Williams die Russin Jelena Wesnina mit 6:2, 6:0. Eine 48-minütige Demonstration der Stärke, die auch Bundestrainerin Barbara Rittner begeisterte. "Wenn Serena ihr bestes Tennis spielt, ist nichts zu machen. Sie ist eine der Größten, die es je gab. Vor allem auf Rasen Extraklasse", sagte Rittner beeindruckt, schob aber schmunzelnd nach: "Wenn es eng wird, dann würde ich auf Angie setzen."

Eng war es Anfang Januar bei den Australian Open geworden - und Kerber hatte tatsächlich triumphiert. Williams brennt auf die Revanche, für sich selbst und ihre Schwester. "Sie war damals furchtlos, bereit zu gewinnen", sagte die 34-Jährige: "Es war eine Inspiration. Ich habe gesehen, dass ich mich in vielen Dingen verbessern muss."

In diesen fünf Monaten seit dem Traumlauf in Melbourne hat sich jedoch nicht nur Serena Williams weiterentwickelt, auch Kerber tritt in Wimbledon mit der Aura eines Champions auf. Selbst als sie gegen die schwache Venus Williams nervös begann und im ersten Durchgang dreimal ihren Aufschlag verlor, ließ sie nicht den Kopf hängen. In beiden Sätzen bewies Kerber außergewöhnliche Nervenstärke. Als es wirklich darauf ankam, lieferte sie ihre besten Aufschlagspiele ab.

Williams jagt den Graf-Rekord

Williams wird genau verfolgt haben, dass Kerber nach sechs Spielen in Wimbledon noch immer ohne Satzverlust ist. Wie in Melbourne und bei ihrer Finalniederlage in Paris Anfang Juni wird sie wieder den Druck spüren, endlich Grafs Grand-Slam-Rekord von 22 Titeln in der Open Era (seit 1968) egalisieren zu können. Fragen nach der Bestmarke, die sie seit einem Jahr jagt, beantwortete Williams nicht, im Gegenteil, sie wies sie patzig zurück.

Kerbers Laune konnte dagegen kaum besser sein. "Ich genieße gerade mein Tennisleben. Es ist anders als in Australien. Jetzt weiß ich, was auf mich zukommt, ich bin etwas entspannter", sagte Kerber: "Auch Serena wird ein bisschen nervös sein. Ich muss da rausgehen, als ob es ein normales Match ist und kein Finale." Dann kann sie sich selbst und die gesamte Tenniswelt erneut überraschend.

(sid)
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