Wimbledon-Sieg von Becker und Graf Der größte Tag im deutschen Tennis

Düsseldorf · Am 9. Juli 1989 gewinnen Steffi Graf und Boris Becker in Wimbledon innerhalb von drei Stunden die Endspiele beim wichtigsten Tennisturnier. Regen hatte am Samstag das Finale der Frauen im London SW19 verhindert.

Ein Ausnahmetag im deutschen Tennis: Brosi Becker und Steffi Graf gewann im selben Kahr Wimbledon.

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Foto: dpa

In den Tagen zuvor hatte es unaufhörlich geregnet. Keiner dieser kräftigen englischen Landregen zwar, aber immer wieder nieselte es. Kein Wetter für Rasentennis, und ein Dach hatte der Centre Court von Wimbledon damals noch nicht. Immerhin liegt die Geschichte ja auch schon 25 Jahre zurück. Kurzum: Am 8. Juli 1989, einem Samstag, konnte nicht gespielt werden. Steffi Graf (Brühl) und Martina Navratilova (USA), die Finalistinnen, verließen nach Stunden des Wartens die Tennisanlage in London SW19.

Auch der 9. Juli war kein strahlender Sonnentag, aber die Plätze waren trocken, und es konnte gespielt werden. Um 15.40 Uhr deutscher Zeit war Teil eins beendet: "Game, set, match Miss Graf." Keine drei Stunden später war auch das Männer-Finale zwischen Boris Becker (Leimen) und dem Schweden Stefan Edberg entschieden, erklang wieder die magische Formel: "Game, set, match Becker." Gemeinsam hatten die Königskinder des deutschen Tennis, damals 20 und 21 Jahre alt, beim wichtigsten Tennisturnier triumphiert.

Es war in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Tag. Steffi Graf, die Beherrschte, Unterkühlte, rang die große Navratilova mit ungezügelter Leidenschaft und deutlich sichtbaren Emotionen nieder. Mehrmals schrie "Miss Vorhand" laut auf, nach besonders gelungenen Punkten zeigte sie fast so etwas wie die Becker-Faust - normalerweise undenkbar in ihrem mit überlegener Präzision geführten Spiel. Nach dem Matchball zum 6:2, 6:7, 6:1 saß Steffi Graf schluchzend auf ihrem Stuhl, und als sie den Silberteller für die Fotografen in die Höhe reckte, hatte sie immer noch feuchte Augen.

Die Tränen kamen Boris Becker wenige Stunden später zwar nicht, aber zu einem Lächeln mochte sich der eigentlich so hochemotionale Champion auch nicht hinreißen lassen. Der Mann, der in Wimbledon die Becker-Faust und den Becker-Hecht erfand, der die Menschen mit seiner ungezügelten Wildheit und seinen offen ausgelebten Gefühlen auf dem Platz faszinierte, wirkte an diesem Tag noch um einige Grad kühler als der ohnehin stets überdisziplinierte Stefan Edberg.

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Als Becker das 6:0, 7:6, 6:4 perfekt gemacht hatte, hockte er endlose Minuten lang in sich zurückgezogen auf seinem Stuhl - vielleicht ahnte er da schon, dass sein dritter zugleich sein letzter Wimbledon-Titel bleiben sollte. Fünf Minuten nach dem Matchball setzte der Regen ein.

In der Dämmerung dieses historischen Tages strahlten Graf (sie ließ ihrem zweiten Erfolg in Wimbledon bis 1996 noch weitere fünf folgen) und Becker dann aber doch noch mal um die Wette. Im Blitzlicht der "viewing line", der traditionellen Wimbledongasse für die Schaulustigen direkt vor den von Efeu umrankten Mahagoni-Türen des All England Club, ließen sie sich gefühlt stundenlang geduldig von den begeisterten Zuschauern ablichten.

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Fast wäre allerdings dann das "Dinner for two" am Ende jenes denkwürdigen 9. Juli 1989 zum "Dinner for one" geworden, denn es ging bereits auf Mitternacht, als Boris Becker im Smoking und mit gestylter James-Dean-Frisur endlich zum Champions Dinner anrückte. Und weil es eben schon so spät war, blieb dem jungen Traumpaar des Abends der bei nahezu allen Siegern bis heute höchst verpönte Ehrentanz erspart. Zum Glück, wie beide versicherten.

Während Steffi Graf mit ihrem Mann Andre Agassi und ihren zwei Kindern zurückgezogen und abseits des Trubels in der Nähe von Las Vegas lebt, ist Boris Becker seit einem guten halben Jahr wieder fester Bestandteil der Tennis-Szene. Er gehört zum Trainerstab von Novak Djokovic, der am Sonntag das Finale gegen Roger Federer gewann. Der Schweizer wurde in den zwei Wochen des Turniers von Stefan Edberg betreut, dem Gegner Beckers im Finale von 1989.

Von einem deutschen Wimbledonsieg können die Frauen eher träumen als die Männer. "Aktuell ist da keiner in Sicht, der einen Grand Slam gewinnen kann. Aber er ist sicher da draußen. Wir müssen ihn nur finden und ausbilden", sagte Michael Stich. Der Pinneberger gewann 1991 in Wimbledon - im Finale gegen Becker. Seitdem schaffte es nur noch Becker (1995) ins Finale.

(sid/dpa)
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