Browns Sieg über Nadal in Wimbledon Weit weg von jeglichen Lehrbüchern

Düsseldorf · Eine faustdicke Überraschung: Dustin Brown hat Rafael Nadal beim Tennis-Turnier in Wimbledon geschlagen. Es war ein verdienter Viersatzerfolg, bei dem der spanische Superstar an dem ausgefallenen Spielstil Browns verzweifelte. Zu hohe Erwartungen sollten nun aber vermieden werden.

Wimbledon: Dustin Brown schafft Sensation gegen Rafael Nadal
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Sensation! Brown schaltet Nadal aus

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Foto: afp, dan

Im ersten Satz ereignete sich eine Szene, die aufmerksame Zuschauer des Spiels zwischen Dustin Brown gegen den neunmaligen French-Open-Sieger Rafael Nadal verdutzte. Der Deutsche hatte gerade einen Vorhandreturn deutlich verzogen. Daraufhin machte Brown Trockenübungen, machte sich selber nochmal vor, wie man bestenfalls eine Vorhand blockt. Im Grunde genommen ein einfacher Schlag, der Schläger bewegt sich nur minimal, eine kleine Bewegung nach vorne reicht. Das Tempo des Gegners macht man sich dabei zunutze, der Treffpunkt ist größtenteils entscheidend. Die Trockenübungen beendete der Deutsche dann schnell, Nadal schlug auf — und was machte Brown? Er entschied sich für den schwierigeren Ball und die deutlich unkonventionellere Variante. Mit einem Vorhandslice stürmte er Richtung Netz.

Diese Szene war so symptomatisch für den schlaksigen Spieler, der ohne festen Trainer auf der Tour unterwegs ist, weil man so etwas wie "normal" oder "einfach" in seinem Spiel fast vergebens sucht. Eine gewisse Kontinuität findet man einzig in seiner gandenlosen Radikalität des Spielens, die er bis zum bitteren Ende beibehält. Damit macht sich Brown in zahlreichen Spielen das Leben schwer, gegen scheinbar übermächtige Gegner ist es allerdings ein Segen. Das Spiel gegen Nadal fällt in die letztere Kategorie.

Kein Rhythmus für Nadal

Der gebürtige Mallorquiner fand in den 153 Minuten Spielzeit niemals in seinen Rhythmus. Dabei ist der Rhythmus etwas, wovon die derzeitige Nummer zehn der Weltrangliste lebt. Zusammen mit diversesten Ritualen sucht er auf dem Tennisplatz nach der nötigen Konstanz in seinem Spiel, ohne diese fühlt er sich nicht wohl — oder kurz gesagt: ohne sie ist er so ziemlich aufgeschmissen.

Das schnelle Spiel auf Rasen ist für ihn daher per se nicht gemacht, allerdings ist Nadal in den vergangenen Jahren nur ganz selten auf einen Spieler getroffen, der die Vorteile des Belags so vehement auslebt wie Brown. 2014 erlebte er schonmal ein ähnliches Debakel in Halle. Gegner war damals auch Brown, Nadal verlor 4:6 und 1:6. Man darf dabei nicht vergessen, dass der Spanier bereits zwei Mal in Wimbledon triumphierte.

Überraschungsmoment als größte Stärke

Am Donnerstag zeigte nun bereits das erste Aufschlagspiel, dass der deutsche Herausforderer auch beim Grand Slam seinen prominenten Gegner ärgern könnte. Ein Ass, ein Volleystopp, ein weiterer Stopp vom Netz aus und ein beidhändig geschlagener Rückhand-Smash — das war die Winner-Ausbeute Browns nach rund einer Minute. Auch in den darauffolgenden Spielen, wer aufschlug war eigentlich egal, drängte Brown seinen Gegner immer wieder in die Defensive.

Dabei war seine größte Stärke das Überraschungsmoment: Vorhandstopp beim Return, Rückhand-Winner glatt durchgezogen auf den ersten Aufschlag, Vorhand-Slice an die Grundlinie oder zweiten Aufschlag mit mehr als 200 km/h: Diese Schläge reihten sich am Donnerstagabend auf dem altehrwürdigen Center Court im Südosten Londons aneinander. Planungssicherheit hatte Nadal eigentlich nur bei dem Offensivdrang seines Kontrahenten. Nach jedem Aufschlag suchte Brown den Weg ans Netz.

Als dieses Überraschungsmoment auszulischen drohte, drehte Brown den Showfaktor geschickt ein wenig runter. Seinen Lieblingsball, der Volleystopp nach eigenem Aufschlag, spielte er in den ersten beiden Sätzern so häufig, dass sich Nadal nach seinem Return schon automatisch Richtung Netz bewegte. In den Sätzen drei und vier änderte er das Muster ein wenig, streute immer wieder lange Volleys ein.

Machbare Aufgaben warten auf Brown

Nach vier Sätzen stand schließlich Brown als Sieger fest. Er hatte verdient gewonnen, weil er die Partie weitestgehend bestimmt hatte. Nadal spielte schwach, fand nie zu seinem Spiel und setzte so seine persönliche Negativ-Serie bei den Grand Slams in diesem Jahr fort. Bisher flog er bei den Australian Open und French Open in den Viertelfinals raus, dieses Mal war nun also schon in der 2. Runde Schluss.

Brown hingegen würde erst wieder im Achtelfinale auf Topspieler wie Jo-Wilfried Tsonga oder Andy Murray treffen. Am Samstag wartet allerdings erstmal der an Position 22 gesetzte Viktor Troicki. Eine eigentlich machbare Aufgabe für den Deutschen. Aber lassen wir uns überraschen.

(cfk)
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