Wimbledon-Sieger Djokovic Die Nummer eins und doch immer im Schatten

London · Zwei Wochen lang arbeitete Boris Becker in Wimbledon auf Hochtouren. Er stand mit Novak Djokovic auf dem Trainingsplatz, fieberte bei den Matches des Weltranglisten-Ersten in der Box mit, gab vor und nach den Spielen Interviews – zur Taktik des Serben, zu den größten Konkurrenten im Kampf um den Titel, zu seinem eigenen ersten Titel vor genau 30 Jahren. Und wenn er dann noch Zeit hatte, nahm er die Einladung der Turnierveranstalter an und schaute sich andere Matches als Ehrengast in der Royal Box an.

Novak Djokovic macht Tänzchen mit Serena Williams
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Foto: dpa, cs

Zwei Wochen lang arbeitete Boris Becker in Wimbledon auf Hochtouren. Er stand mit Novak Djokovic auf dem Trainingsplatz, fieberte bei den Matches des Weltranglisten-Ersten in der Box mit, gab vor und nach den Spielen Interviews — zur Taktik des Serben, zu den größten Konkurrenten im Kampf um den Titel, zu seinem eigenen ersten Titel vor genau 30 Jahren. Und wenn er dann noch Zeit hatte, nahm er die Einladung der Turnierveranstalter an und schaute sich andere Matches als Ehrengast in der Royal Box an.

Becker wird an der Church Road noch immer verehrt. Die Bilder des 17-Jährigen mit dem rotblonden Haar, der sich am 7. Juli 1985 zum jüngsten Wimbledon-Sieger der Geschichte machte, haben auch die Briten nicht vergessen. Doch während dem Leimener, der mittlerweile mit seiner Familie in London lebt, sowohl als Jüngling als auch bei seinem letzten Auftritt als Spieler in Wimbledon die Herzen eines Großteils der Zuschauer zuflogen, kämpft sein Schützling bislang vergeblich um die Gunst der Fans.

Standing Ovations kommen zögerlich

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Im Finale, das Djokovic mit 7:6, 6:7, 6:4 und 6:3 gegen Roger Federer gewann, hätten die Sympathien nicht deutlicher verteilt sein können. Sie lagen nicht auf Seiten des Serben. Als der nach 2:55 Stunden seinen ersten Matchball verwandelte, gab es zunächst höflichen Applaus. Nur zögerlich erhoben sich die Zuschauer von ihren Sitzen, wie es am Ende eines Matches üblich ist, vor allem, wenn es das letzte des Turnieres ist.

"Ihm gebührt mehr Respekt, als ihm entgegengebracht wird", hatte Becker zu Beginn des Jahres am Rande der Australian Open beklagt, weil Djokovic in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Meinung nach noch immer im Schatten von Federer und Rafael Nadal stand. "Ich bin auch ein Fan von beiden Spielern. Sie sind enorm wichtig für das Tennis, aber man muss auch mal mit den Fakten umgehen", hatte Becker gefordert: "Und da ist die aktuelle Nummer eins Novak Djokovic aus Serbien."

Ein halbes Jahr später gilt dies mehr als je zuvor. Bis auf die French Open hat der Serbe alle großen Turniere, bei denen er 2015 gespielt hat, auch gewonnen. Neben den zwei Grand-Slam-Titeln in Australien und Wimbledon gewann der 28-Jährige auch die Masters-Turniere in Indian Wells, Miami, Monte Carlo und Rom. In der Weltrangliste hat er über 4000 Punkte Vorsprung auf den zweitplatzierten Federer und mehr als viermal so viele Punkte wie Nadal, der mittlerweile auf Platz zehn abgerutscht ist.

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Djokovic präsentiert stolz seinen Pokal

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Das ringt Experten und Mitspielern durchaus jede Menge Respekt ab — wie könnte es ob solch einer Dominanz auch anders sein? "Novak hat nicht nur heute, sondern zwei Wochen lang und das ganze Jahr und das letzte Jahr und das Jahr zuvor überragend gespielt", sagte der unterlegene Federer bei der Siegerehrung: "Er hat sich diesen Sieg verdient, weil er bei den wichtigen Punkten unheimlich stark war."

Bei der anschließenden Pressekonferenz sprach Federer dann aber auch diesen Satz, der die andere Geschichte des Finals erzählte. Die, in der es nicht um das Ergebnis ging, sondern um die Emotionen auf den Rängen. Es sei wunderschön, die Unterstützung des Publikums zu haben, sagte der 33-Jährige. "Das bedeutet mir fast so viel, wie zu gewinnen."

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Seit 2011 ist Djokovic der beste Tennisspieler auf diesem Planeten, auch wenn er nicht durchgehend die Weltrangliste anführte. Doch in Sachen Popularität reicht der Serbe weder an Federer noch an Nadal heran. Das zeigt sich bei der Anzahl der Fans in den Sozialen Netzwerken, bei der alljährlichen Abstimmung der ATP über den beliebtesten Spieler, die regelmäßig Federer vor Nadal gewinnt. Und am Sonntag zeigte es sich auch "am Platz."

Djokovic hat Pech gehabt, dass er in die Tennis-Weltspitze vorrückte, als die Rivalität zwischen Federer und Nadal sich schon fest etabliert und der Großteil der Fans sich bereits auf die eine oder die andere Seite geschlagen hatte. Für einen dritten Helden war kein Platz mehr. Dabei gibt sich Djokovic alle Mühe, bei den Fans gut anzukommen. Nach seinem dritten Sieg in Wimbledon nahm er ein Stück Gras in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Beim Champions Dinner am Abend bat er Serena Williams, die Siegerin bei den Damen, auf gewohnt locker-charmante Art um ein Tänzchen. Deren Schwester Venus, selbst fünfmalige Titelträgerin in Wimbledon, hatte vor dem Match bei Twitter übrigens keinen Hehl daraus gemacht, dass sie Federer die Daumen drücken würde: "Aber für Novak würde ich mich natürlich auch freuen."

Djokovic ist sich seiner im Vergleich zu Federer geringen Popularität durchaus bewusst. "Er ist schon so lange dabei und hat großartige Erfolge gefeiert. Außerdem ist er ein klasse Typ. Da ist es doch normal, dass er den Großteil der Unterstützung hat", hatte Djokovic nach seinem Finalsieg gegen Federer in Indian Wells gesagt. "Ich bin deshalb nicht sauer. Ich erwarte das nicht anders", fügte er hinzu.

Dass das Ganze aber doch am Camp Djokovic zu nagen scheint, zeigt eine Aussage von Becker zu Federer, die der Deutsche im Vorfeld des dritten Grand Slams des Jahres getätigt haben soll. "Es ist unmöglich, dass jeder einen mag. Federer kann gar nicht so nett sein. Er macht gutes Geld mit seinem Image. Aber würde er das auch, wenn man mehr von seinen echten Gefühlen sehen würde?", wurde Becker vor einigen Wochen in der englischen Zeitung "Telegraph" zitiert. "Boris hat keine Ahnung", ließ der Konter von Federer nicht lange auf sich warten.

Eine andere deutsche Tennis-Legende macht Djokovic derweil Hoffnung. Auch die zurückhaltende Steffi Graf wurde während ihrer dominantesten Zeiten weniger geliebt als respektiert. In ihrem letzten großen Finale, 1999 gegen Lindsey Davenport in Wimbledon, war die Brühlerin dann der große Publikumsliebling.

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