Ältester Wimbledon-Champion Das ist Federers Jungbrunnen-Geheimnis

Düsseldorf · In einem Alter, in dem andere ihre Karriere schon längst beendet haben, gewinnt Roger Federer Wimbledon und macht sich zum alleinigen Rekordtitelträger. Kein Spieler hat in diesem Jahr mehr wichtige Titel gewonnen, als der 35-Jährige. Doch wie ist das möglich?

So feiert das Netz Federers historischen Wimbledon-Sieg
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Foto: ap, TH

Mit seinem achten Titel in Wimbledon ist Federer nun alleiniger Rekordhalter vor William Renshaw und Pete Sampras. Er ist zudem der älteste Wimbledon-Champion in der Geschichte des Profitennis. "Ich bin unglaublich überrascht, wie dieses Jahr bislang gelaufen ist", sagt er selbst. "Dieses Turnier so gespielt zu haben, ohne Satzverlust, ist magisch, es ist wirklich zu viel."

Fünf Turniere hat Federer in diesem Jahr schon gewonnen. Vor Wimbledon triumphierte er bei den Australian Open, in Indian Wells, Miami und Halle. Damit hat er einen Titel mehr als sein Dauerrivale und Freund Rafael Nadal gesammelt. Die beiden werden unter sich ausmachen, wer am Ende des Jahres die Nummer eins sein wird. Das steht schon jetzt so gut wie fest. In drei Wochen wird Federer 36 Jahre alt. Eine unglaubliche Erfolgssgeschichte, die vielschichtige Gründe hat.

  • Turnierplanung

Federer weiß, wann er eine Pause braucht. Seit Jahren filtert er sehr genau aus, konzentriert sich auf die großen Turniere und deren Vorbereitungsturniere. Die Hetzjagd auf Weltranglisten-Punkte überlässt er anderen. 2016 zwang ihn eine Knieverletzung zu einer längeren Zwangspause, die erste in seiner Karriere. Die Pause sei nötig, um seine Lebenszeit als Tennisprofi zu verlängern, erklärte Federer damals. Er wusste, wovon er sprach. Federer nutzte die Zeit, um abzuschalten, Zeit mit der Familie zu verbringen und an seinem Spiel zu feilen. Völlig überraschend gewann er bei seinem Comeback direkt die Australian Open, danach auch noch die Masters-Turniere in Indian Wells und Miami. Die Sandplatzsaison ließ Federer komplett sausen, um seinen Körper und sein Knie zu schonen. Als er bei der Rückkehr auf Rasen sein erstes Match gegen Tommy Haas (39) verlor, unkten die ersten Kritiker, die fast dreimonatige Pause habe ihn aus dem Rhythmus gebracht. Wie so oft strafte Federer sie Lügen.

Wimbledon 2017: Zwillinge von Roger Federer jubeln in der Box mit
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Federers Zwillinge jubeln über Rekordsieg ihres Papas

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  1. Technik

Seine scheinbare Alterslosigkeit verdankt Federer auch seiner Technik und seinem Ballgefühl. Der Schweizer kommt bei seinen Schlägen weniger über die Muskelkraft als andere. Auch Federers Aufschlag ist nicht der härteste auf der Tour, in Sachen Variation macht ihm aber keiner etwas vor. Während viele Profis immer wieder über Schulter-, Ellbogen- und Handgelenksverletzungen klagen, ist von Federer in dieser Hinsicht nichts zu hören.

  1. Fitness

Dass körperliche Fitness im modernen Tennis der Schlüssel zum Erfolg ist, hat Federer schon früh verstanden. Was so leichtfüßig aussieht, dahinter steckt knallharte Arbeit. Seit dem Jahr 2000 arbeitet Federer mit dem Fitness-Guru Pierre Paganini zusammen. Der erklärte vor Wimbledon im Interview mit der Schweizer Zeitung "Blick", Federer habe noch immer den gleichen Spaß am Tennis wie als Junior. "Für mich ist er ein Weltmeister für Kontinuität, ohne jemals den roten Faden zu verlieren. Das bewundere ich an ihm am meisten. Und es sollte für die ganze Tenniswelt inspirierend sein", sagt Paganini über den Superstar. Auch hier können die Statistiker mit einer beeindruckenden Federer-Zahl aufwarten: In 1423 Matches als Profi-Spieler hat Federer kein einziges wegen einer Verletzung oder sonstigen körperlichen Problemen nicht zu Ende gespielt.

Wimbledon 2017: Marin Cilic weint bei Seitenwechsel
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Cilic weint bei Seitenwechsel

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Foto: afp
  1. Schwächelnde Konkurrenz

Dass 2017 das Jahr der Renaissance von Federer und auch Nadal ist, liegt vor allem an der großen Qualität der zwei Superstars, die zu voreilig abgeschrieben worden waren. 2017 ist allerdings auch das Jahr der wankenden Thronfolger. Novak Djokovic, der das Tennis in der jüngeren Vergangenheit scheinbar nach Belieben beherrscht hatte, steckt seit dem vergangenen Sommer im Formtief. Auch der Weltranglisten-Erste Andy Murray zahlt derzeit den Preis für die vielen Matches, die er zuvor bestritten hatte, und hat körperlich merklich abgebaut. Zu einem direkten Vergleich zwischen Federer und Nadal mit dem Serben oder dem Schotten kam es bei keinem der drei Grand-Slam-Turniere. Sowohl Djokovic als auch Murray scheiterten jeweils an anderen Hürden.

  1. Nadal-Code geknackt

Zum direkten Duell zwischen Federer und Nadal kam es hingegen schon dreimal in diesem Jahre. Alle drei Matches gewann Federer: Erst im Finale der Australian Open, dann auch in Indian Wells und Miami. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Nadal jahrelang Federers Angstgegner war. Im direkten Vergleich führt der Spanier noch immer 23:14, doch Federer hat aufgeholt. Den Hauptgrund dafür machen Experten in der einhändigen Rückhand des Schweizers aus, die jahrelang in Matches gegen Nadal der große Schwachpunkt war, an der Federer aber während seiner Abwesenheit sichtlich geschraubt hat. "Ich gehe jetzt mehr in den Platz rein und ziehe die Rückhand viel häufiger durch. Gegen Nadals gefährliche Vorhand ist das der Schlüssel", erklärte Federer in diesem Frühjahr. Der Sieg im Melbourne-Finale muss für Federer wie eine Befreiung gewesen sein. Selbstzweifel, die selbst den "Maestro" ab und zu plagen, waren wie weggeblasen.

  1. Qualität

Der Schweizer hat das größte Schlagrepertoire aller Tennis-Profis. Das eröffnet ihm in Ballwechseln Möglichkeiten, die andere nicht haben. Federer hat einen guten ersten Aufschlag, einen guten zweiten Aufschlag, eine sensationelle Vorhand, eine noch einmal verbesserte Rückhand. Er beherrscht den Slice, hat ein feines Händchen am Netz, eine gute Beinarbeit, den richtigen taktischen Riecher und dazu die Erfahrung aus fast 20 Jahren auf der Profitour. Vielleicht ist die passendste Antwort auf die Frage nach Federers Erfolgserlebnis deshalb die naheliegendste: Federer ist einfach so gut.

(areh)
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