Wimbledon-Finale Kerber will deutsche Durststrecke beenden

London · Die 28-Jährige kann heute ein neues Kapitel Tennis-Geschichte schreiben. Im Endspiel von Wimbledon gegen Serena Williams will sie als erste Deutsche seit Steffi Graf 1996 triumphieren.

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Foto: afp

Angelique Kerber war 14 Jahre alt, als ihr Traum von einer Karriere als Tennisprofi beinahe zerstört wurde. Die Jugendliche nahm an einem Lehrgang des Deutschen Tennis Bundes teil, wollte die Trainer dort von ihrem Können überzeugen. Diese aber fällten ein vernichtendes Urteil über die damals noch etwas pausbäckige Jugendliche. Kerber fehle es an Athletik und Fitness, eine weitere Förderung der Nachwuchsspielerin sollte nicht in Betracht gezogen werden. Doch das Talent aus Norddeutschland steckte nicht auf, arbeitete an seinen Defiziten und kämpfte sich bis zur Weltspitze vor. Die Schwächen von damals - heute sind es die Stärken von Deutschlands derzeit bester Tennisspielerin.

Finale kostenlos im Internet

14 Jahre nach dem Lehrgang steht Kerber vor der Krönung ihrer bisherigen Karriere. Im Finale von Wimbledon trifft sie heute (ab 15 Uhr beim Pay-TV-Sender Sky sowie live und kostenfrei im Internet auf www.sky.de/wimbledon) auf die US-Amerikanerin Serena Williams. Mit der ersten Finalteilnahme in Wimbledon, der ruhmreichsten Bühne, die der Tennissport zu bieten hat, geht für die 28-Jährige ein Kindheitstraum in Erfüllung. Doch allein dabei zu sein ist für Kerber nicht genug. Sie will gewinnen. Als kleines Mädchen wünschte sie sich, wie Steffi Graf bei den großen Turnieren anzutreten, die goldenen Pokale oder den überdimensionalen Silberteller wie in Wimbledon auch einmal in den Händen zu halten. "Ich weiß noch, wie ich Wimbledon im Fernsehen geschaut habe", sagte Kerber. "Dass alle in Weiß gespielt haben, das wurde auch von außen immer als etwas Besonderes wahrgenommen."

Steffi Graf, die als letzte Deutsche 1996 in Wimbledon siegte, ist mittlerweile mehr als nur ein Vorbild für Kerber. Sie ist Ansprechpartnerin für die in Polen lebende Bremerin, spricht ihr in schwierigen Phasen Mut zu, wenn sie Zweifel plagen. Denn trotz neun Turniersiegen - darunter der prestigeträchtige Grand-Slam-Titel im Januar bei den Australian Open, als sie im Finale ihre heutige Gegnerin Serena Williams in drei Sätzen niederrang - strotzte Kerber nicht immer vor Selbstbewusstsein. "Man kann sie auch manchmal an die Wand klatschen, liebevoll", sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, "weil sie dann bockig ist oder stur ist oder Zweifel anbringt, wo sie nicht angebracht sind." Doch die Phasen, in denen Kerber zu sehr über ihr eigenes Spiel grübelt, sind seltener geworden. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte sie nach dem Gewinn der Australian Open: "Es gab viele Momente, in denen das Glas sogar halbleer war. Ich habe wirklich schwierige Zeiten hinter mir, nun lebe ich meinen Traum."

Klare Nummer eins in Deutschland

Diese Einstellung hat ihr die nötige Lockerheit verschafft, ihr Talent voll zu entfalten. Dabei musste sie schon das Leben vor dem Sieg in Melbourne nicht bedauern. Sie stand beharrlich unter den ersten zwanzig Spielerinnen in der Weltrangliste. Aktuell ist sie Weltranglistenvierte und die klare Nummer eins in Deutschland, auch wenn ihre Kolleginnen Andrea Petkovic und Sabine Lisicki die auffälligeren Typen sind und die Schlagzeilen beherrschen. Kerber ist der Rummel um ihre Person nicht so wichtig. Für sie zählen sportliche Erfolge. Die Achtung ihrer Gegnerinen hat sie ohnehin längst sicher. "Es gibt wenige Spielerinnen, die auf dem Court so gut unterwegs sind wie Angie", sagte die sechsmalige Wimbledon-Siegerin Serena Williams.

Für das Duell gegen das Kraftpaket aus Florida muss Kerber aber auch ein wenig darauf hoffen, dass Williams' beste Waffe versagt: der Aufschlag. Keine Spielerin serviert so bedingungslos wie die Nummer eins der Welt. Kerber muss auf ihre guten Returns setzen. "Ich werde laufen, schlagen, spielen, bis ich gewinne", sagt sie. Und: "Serena muss mich erst mal schlagen."

Ein Satz, den niemand ausspricht, der noch zweifelt.

(sb)
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