Das ist Wimbledon Erdbeeren und Etikette

London · Wimbledon ist das traditionsreichste Grand-Slam-Turnier der Welt mit einem ganz eigenen Regelwerk. Das bekam in der Vergangenheit sogar der große Roger Federer zu spüren.

Fragen und Antworten zu Wimbledon 2017
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Foto: dpa

Der Rasen im "All England Lawn Tennis and Croquet Club" ist heilig. Erdbeeren gehören zu den Grundnahrungsmitteln. Die Queen hat eine eigene Loge. Gespielt wird in weißer Kleidung. Seit 1877 gibt es das Rasenturnier im Londoner Stadtteil Wimbledon. Und seitdem existieren dort Regeln, die es bei keinem anderen Tennisturnier auf der Welt gibt - auf die Einhaltung der Etikette wird höchster Wert gelegt. So auch bei dieser Auflage, die gestern begonnen hat.

Vor ein paar Jahren bekam das auch Roger Federer zu spüren. Der Schweizer war zu seinem Erstrundenmatch gegen Victor Hanescu (6:3, 6:2, 6:0) in Sportschuhen mit knallig orangener Sohle angetreten. Die Mode-Polizei von Wimbledon ermahnte ihn für dieses Vergehen und forderte Nachbesserung für die nächste Partie. Ausrüster müssen die Outfits für die von ihnen ausgestatteten Spieler offiziell 90 Tage vor Turnierstart von den Organisatoren genehmigen. Im Falle eines erneuten Verstoßes hätte Federer schlimmstenfalls der Ausschluss vom dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres gedroht. Im Duell mit dem Ukrainer Sergej Stachowski spielte er dann brav in blütenweißen Schuhen - und schied nach drei Stunden mit 7:6 (7:5), 6:7 (5:7), 5:7, 6:7 (5:7) aus.

Für viele ist Wimbledon das wichtigste Tennisturnier der Welt. Dort wird man als Sieger zur sportlichen Legende. Boris Becker wurde es am 7. Juli 1985. Er war mit 17 Jahren jüngster Profi, erster ungesetzter Spieler und auch erster Deutscher, der das Finale gewinnen konnte. Die französische "L'Equipe" formulierte mit pathetischen Worten: "Der Superstar des Tennis ist geboren. In den letzten 30 Jahren hat man hier die Ankunft von Lewis Hoad, Rod Laver, Björn Borg und John McEnroe erlebt, aber noch nie lag ein solcher Tornado von Gesundheit und Beständigkeit in der Wiege." Hernach gelangen Becker noch zwei weitere Triumphe in seinem "Wohnzimmer", wie er den Centre Court einst liebevoll nannte. Tatsächlich ist er wohl nirgendwo auf der Welt mehr zu Hause. Die Engländer lieben Becker bis heute für seinen unermüdlichen Kampfgeist, seine Leidenschaft für das Spiel. Mehr Anerkennung für einen Deutschen auf der Insel ist nur schwer möglich. Michael Stich, der 1991 im Finale gegen Becker überraschend triumphierte, ist dieser Status nie zuteil geworden.

Die Tradionalisten hätten das Turnier am liebsten vor allen Ändernungen bewahrt. 2009 bekam der Centre Court ein schließbares Dach - und damit veränderte sich der Takt auf der Anlage komplett. Regenunterbrechungen auf der großen Bühne gehören der Vergangenheit an, die Show geht nun weiter. Die TV-Anstalten hatten Druck gemacht, sie wollten nicht länger in den wetterbedingten Zwangspausen, davon gab es reichlich, Konserven von Björn Borgs Fünfsatzklassiker gegen John McEnroe 1980, die epischen Duelle von Steffi-Graf und Martina Navratilova und die besten Hechtsprünge von Becker zeigen.

Ivan Lendl hat in seinem Leben als Profi viel erreicht. Er war der beste Tennisspieler in den 1980er-Jahren, war 270 Wochen die Nummer eins, hat drei Mal die French Open, drei Mal die US Open und zwei Mal die Australian Open gewonnen - nur in Wimbledon gelang ihm bei 14 Versuchen nie der Triumph. "Ich bin in allererster Linie stolz darauf, was ich dort erreicht habe. Die Platzverhältnisse entsprachen nicht meinem Spielstil. Wimbledon war für mich schrecklich. Das Gras war höher. Aber es war Wimbledon und es gibt keinen Spieler auf der Welt, der größer ist als dieses Turnier."

(gic)
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