Interview mit dem IOC-Präsident Thomas Bach: Olympia und EM in Deutschland - das geht

Düsseldorf · Anfang kommender Woche kämpft der IOC-Präsident um die "Agenda 2020". Die Spiele sollen moderner und nachhaltiger werden. Mit uns spricht er über die Olympiachancen von Berlin, Hamburg und Katar.

Das ist Thomas Bach
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Foto: dpa, pse jhe puk lof

Thomas Bach steht vor der wichtigsten Konferenz seiner bislang 15-monatigen Amtszeit als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Am Montag und Dienstag stimmt das IOC in Monaco über 40 Vorschläge zur Reform der olympischen Bewegung ab. Ein Kernpunkt der "Agenda 2020" ist die Vereinfachung des Bewerbungsverfahrens für die Ausrichtung von Olympischen Spielen. Am Rande der Vergabe des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in Düsseldorf sprach er über die voraussichtliche deutsche Olympiabewerbung und um die Ambitionen von Katar.

Herr Bach, die Basketballhalle der Olympischen Spiele in London soll bei den Spielen 2016 in Rio wieder verwendet werden. Ist es das, was das IOC unter Nachhaltigkeit versteht?

Bach Die Halle wird nicht nach Brasilien verschifft, aber sie wird in Großbritannien wiederverwendet. Ein Transport über den Atlantik wäre nicht nachhaltig gewesen, wie sich herausstellte. Wir ermuntern aber ausdrücklich dazu, dass in Zukunft häufiger solche wiederaufbaubaren Einrichtungen verwendet werden.

Inwieweit ist Nachhaltigkeit ein Thema für das IOC?

Bach Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit und Jugend sind unsere Topthemen im Zuge unserer Reformagenda. Nachhaltigkeit geht für uns über den Umweltschutz hinaus. Es geht auch um das Erbe, das die Spiele hinterlassen, um soziale und finanzielle Nachhaltigkeit.

Sie haben sich zum Ende der Spiele im russischen Sotschi lobend über das geäußert, was dort geschaffen wurde. Ist dieses Urteil unter der Überschrift "Nachhaltigkeit" aufrechtzuerhalten?

Bach In Bezug auf die Nachnutzung hat Sotschi durch die politischen Umstände Probleme. Das ist offensichtlich. Die Pläne der Nachnutzung - in Bezug auf Tourismus, in Bezug auf Konferenzen, in Bezug auf Sport - sind durch die politischen Verhältnisse sehr beeinträchtigt.

Hätte in diesem riesigen Olympic Park in Sotschi eine den Dimensionen entsprechende Nachnutzung möglich sein können?

Bach Die Nachnutzung war sehr stark auf Tourismus abgestellt und auf damit einhergehende Konferenzen. Da gibt es in der gesamten Region ein erhebliches Potenzial.

Das mag für die Bergregion gelten. Mir fällt es aber schwer zu glauben, dass das auch für den Olympic Park am Schwarzen Meer gilt.

Bach Über Glaubensfragen kann man sich immer streiten. Die Pläne der russischen Regierung waren sehr konkret. Es gab dezidierte Pläne, die unter anderem die Anbindung Sotschis über Charterflüge vorsahen. Das war sehr konkret und detailliert. Das nun umzusetzen, wird enorm schwierig.

Die olympische Bewegung hat viele "weiße Elefanten" hinterlassen, Sportstätten, die nicht mehr angemessen genutzt werden. Denken wir an die von Athen 2004, die nach ein paar Jahren schon verrotteten. Und in Peking fällt es offensichtlich schwer, eine Nachnutzung für das Vogelnest-Stadion zu finden.

Bach Das Vogelnest wirft aufgrund der vielen Besucher einen Gewinn ab. Zigtausende Menschen besuchen es.

Aber in Athen sprießt das Unkraut.

Bach Abseits aller Polemik muss man das im Gesamtzusammenhang sehen. Dass sich in Athen die Nachnutzung nicht so gestaltet, wie man sich das gewünscht hat, ist offensichtlich. Aber Sie sehen den hohen Grad der Nachnutzung in Peking und vor allem in London, der sogar die selbstgesteckten, ehrgeizigen Ziele übersteigt.

Fühlt sich das IOC für die "weißen Elefanten" verantwortlich?

Bach Packen Sie bitte nicht die Unterstellung in die Frage, als sei alles schief gelaufen. 2008 und 2012 in London ist im Vergleich zu 2004 ganz anders gelaufen. Was wir erreichen wollen, gerade mit der Olympischen Agenda 2020, ist, dass die Frage der Nachnutzung von Beginn an in die Überlegungen der Kandidaten einbezogen wird. Schon bei der Präsentation der Kandidaten müssen uns die Pläne zur Nachnutzung vorgelegt werden. Solche Überlegungen dürfen nicht erst nach der Schlussfeier angestellt werden.

Die deutschen Pläne einer Olympiabewerbung für 2024 sind konkret. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper sagt: Wenn ein Land in der Lage ist, Fußball-EM und Olympia in einem Jahr auszurichten, dann Deutschland. Ist es aus Sicht des IOC möglich, beide Ereignisse in einem Jahr in einem Land durchzuführen?

Bach Ja.

Mit welchem zeitlichen Abstand?

Bach Da gibt es keine festgefügten Bestimmungen. Es ist aber klar, dass sie nicht gleichzeitig stattfinden können. Mit einer zeitlichen Entzerrung ist es möglich. Die Veranstaltungen wären auch räumlich entzerrt, weil eine Fußball-EM ja in einem ganzen Land und Olympische Spiele schwerpunktmäßig in einer Stadt stattfinden.

Wird Deutschland international als zu forsch oder vorlaut wahrgenommen angesichts zwei solch gewichtiger Bewerbungen?

Bach Nein. Sie müssen nicht in dem Glauben leben, dass Mitglieder beispielsweise aus Ozeanien oder Südamerika sich vertiefte Gedanken machen über eine Fußball-EM.

Sie haben kürzlich infrage gestellt, ob Bürgerbegehren das richtige Instrument sind, um über das Zustandekommen von Großprojekten zu entscheiden. Heißt das: Ein Bürgerbegehren über eine deutsche Olympiabewerbung ist nicht der richtige Weg?

Bach Das heißt es nicht. Die Münchner Bewerbung um die Winterspiele 2022 ist durch ein Bürgerbegehren gescheitert. Die ablehnende Haltung gegenüber Großprojekten in Deutschland und anderen europäischen Ländern bezieht sich aber nicht nur auf Olympia. Da werden etwa Landebahnen für Flughäfen oder Bahnhöfe abgelehnt. Ich habe den Eindruck, in manchen Teilen Europas herrscht Mutlosigkeit vor. Der Papst hat es gerade im europäischen Parlament noch deutlicher ausgedrückt, als er in Europa einen Mangel im Glauben an die Zukunft beklagt und die Europäer als ängstlich bezeichnet hat.

Ist es richtig, dass Berlin oder Hamburg ein Bürgerbegehren vor der eigentlichen Olympia-Bewerbung anstellen?

Bach Es ist essenziell für den Erfolg einer Bewerbung, sich des Rückhalts der Bevölkerung zu versichern. Wenn das Instrument des Bürgerbegehrens oder der Bürgerbefragung zur Verfügung steht, dann ist es richtig, es zu verwenden.

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 finden in Doha statt. Daraus schließen Beobachter, dass sich Katar für eine neuerliche Olympiabewerbung warmläuft. Begrüßt das IOC solch eine Bewerbung?

Bach Wir begrüßen Bewerbungen von allen Kontinenten. Wir freuen uns über eine positive Diskussion um Bewerbungen für 2024, die es in vielen Ländern gibt.

Doha ist zuletzt gar nicht in die Endauswahl gekommen, weil der vorgeschlagene Termin im Oktober als ungünstig galt. Wird es künftig möglich sein, aus dem olympischen Stammmonat August wegzugehen?

Bach Das ist eine schwierige Frage. Deshalb finden Sie in den Reformvorschlägen auch die Einführung einer dritten Phase der Bewerbung, die so genannte Einladungsphase. Darin wollen wir mit Bewerbern über die örtlichen Besonderheiten diskutieren, um auszuschließen, dass man eine Bewerbung annimmt, viel Geld wird investiert, und etwas später findet man objektive Faktoren, die verhindern, dass dort die Spiele stattfinden können.

Also erst die Vergabe eines Großereignisses und dann die Diskussion um den Termin - so wie wir es rund um die Fußball-WM 2022 erleben - soll es nicht geben?

Bach Nein.

Im Winter ist die Modernisierung Olympias fortgeschritten, man denke an Snowbaord oder Ski Freestyle. Aber im Sommer...

Bach Wir müssen im Sommer moderner, frischer werden. Wir haben jetzt bei den Jugendspielen ein "Sports Lab" eingeführt. Sportarten wie Klettern, Wushu, Skateboarden konnten sich dort präsentieren. So hatten wir die Sportarten schon einmal im Umfeld der Spiele, aber noch nicht im festen Programm. Durch eine Flexibilisierung des Programms bekämen wir neue Möglichkeiten.

Nun sind die beiden Sportarten, die 2016 neu ins Programm kommen, eher traditionell: Golf und Rugby, in der Variante Siebener-Rugby.

Bach Rugby ist zwar traditionell, die Siebenervariante aber jung. Wir reden aber jetzt über die Reformvorschläge, die hoffentlich verabschiedet werden. Schon 2020 in Tokio könnten wir Veränderungen sehen.

Inwieweit schadet der Ansehensverlust der Fifa dem internationalen Sport insgesamt und mithin auch dem olympischen Sport?

Bach Das IOC zeigt mit der Olympic Agenda 2020 und mit seinem Verhalten in der Vergangenheit, wie wir die Fragen der Transparenz und der Good Governance angehen. Wir waren die erste Sportorganisation, die 1999 eine Ethikkommission eingesetzt hat. Wir werden diese Kommission stärken und die Regeln stärken. Wir werden die Funktion eines Compliance Officers schaffen, der im IOC für die Einhaltung solcher Regeln zuständig ist.

(RP)
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