Kolumne Gegenpressing Tierischer Einsatz im Fußballstadion

Ist es mit den Grundsätzen artgerechter Haltung zu vereinbaren, einen Geißbock in die Arena zu schicken? Und wer schützt eigentlich die Maskottchen auf zwei Beinen?

 RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Phil Ninh

Anthony Ujah hat sich noch schnell als bester Freund des berühmtesten Fußball-Geißbocks geoutet. Geradezu verliebt sei er in Hennes VIII., hat der Kölner Fußballspieler erklärt. Das hilft ihm jetzt aber auch nicht mehr. Denn erstens hat der böse Mann aus Nigeria in völlig ungehemmtem Jubelsturm den Geißbock an den Hörnern gezogen. Zweitens, was mit erstens unmittelbar zusammenhängt, hat er damit nicht den Geißbock selbst, sondern die Tierschutzfraktion im Allgemeinen zum Aufschrei veranlasst. Drittens, was wiederum mit erstens und zweitens zusammenhängt, wird Ujah in Zukunft niemanden mehr an den Hörnern ziehen — schon gar nicht, wenn der als Maskottchen beim eigenen Klub beschäftigt ist.

Und natürlich ist — sogar zu Recht — eine Debatte entbrannt, ob es mit den Grundsätzen artgerechter Haltung zu vereinbaren ist, einen Geißbock alle zwei Wochen mitten in eine Arena zu stellen, in der 50.000 Menschen lärmen. Hennes VIII. hat sich dazu noch nicht geäußert, sein Gesichtsausdruck lässt viele Deutungen zu.

Seinen Frankfurter Kollegen Attila hat auch noch niemand zu seiner Befindlichkeit befragt. Sein Betreuer versichert, den Adler störe der Krach im Stadion nicht, und der Vogel schaut dazu ziemlich stolz. Zum Dank wird er in Schulklassen geschleppt, zu Sponsoren-Einladungen der Eintracht und auf Ausstellungen. Einer seiner Vorgänger im Amt war sogar schon mal Stargast in der Mannschaftsbesprechung, die der damalige Trainer Klaus Toppmöller abgehalten hat.

Einfach tierisch, aber offenbar nicht ganz so gefährlich wie der Einsatz von Schäferhunden im Stadion. Die gelten ja auch nicht als Maskottchen. Friedel Rausch wird beides bestätigen. Beim Derby gegen Borussia Dortmund erwies sich einst ein Wachhund deutlich bissiger als die Schalker Knappen, zu denen Rausch gehörte. Bis heute erinnert eine Narbe am Allerwertesten an die Begegnung der ungleichen Gegner auf dem Rasen. Der Schäferhund hieß selbstverständlich Rex.

Günter Oscar Siebert, damals Schalker Präsident und Humorbeauftragter, fühlte sich herausgefordert und ließ sich beim Rückspiel von einem Löwenjungen an der Leine begleiten. Das war Ende der 60er Jahre, und der Tierschutz hatte die Augen nicht überall. Von Protesten wird jedenfalls nicht berichtet.

Ebenso gelassen wie seinerzeit der Einsatz von Löwen auf der Laufbahn ertragen wurde, betrachtet der heutige Fußballfan das obskure Treiben der Maskottchen auf zwei Beinen, die als Bernie (München), Jünter (Mönchengladbach) und Dino (Hamburg) das Publikum bespaßen (sollen). Dabei verdienen sie unser tatkräftiges Mitleid. Im Sommer herrschen unter dem überdimensionalen Schaumgummi-Köpfen Temperaturen, die eine Juli-WM in Katar als erfrischende Veranstaltung erscheinen lassen. Mit den Patschefüßchen kann kein Mensch einigermaßen normal gehen. Und von einem gesicherten Blick in die gefährliche (Attila!) Umwelt kann auch keine Rede sein.

Hat schon eine Organisation zum Schutz notleidender Maskottchen Einspruch erhoben? Nein. Ein Skandal.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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