NFL und NHL alarmiert Gehirnschäden durch Entertainment

Berlin · Das Thema Gehirnerschütterungen im Profisport wird in Nordamerika oft diskutiert. Gerade American Football und Eishockey gelten als gefährlich. Das Entertainment fordert mitunter einen hohen Preis.

NFL und NHL alarmiert: Gehirnschäden durch Entertainment
Foto: afp, JAMIE SQUIRE

In Nordamerika mögen sie es hart. Wenn auf dem Football-Feld die Muskelprotze mit den Köpfen zusammenkrachen oder auf dem Eis die Fäuste fliegen, erreichen die Lautstärkepegel in den Arenen Höchstwerte. Doch so populär Stöße, Tackles, Checks oder Boxeinlagen auch sind, so offensichtlich sind mittlerweile die Folgen. Experten warnen seit geraumer Zeit vor den möglichen Spätschäden von Gehirnerschütterungen - vor allem der Football-Liga NFL bereitet dieses Thema immer mehr Kopfschmerzen. Sie wird von knapp 3500 ehemaligen Spielern auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagt. Alle betonen, dass sie nie seitens der NFL über die Gefahren von Gehirnerschütterungen richtig informiert worden seien.

Angst vor der Zukunft

Ein amerikanischer Mann wird im Schnitt 75 Jahre alt - die Lebenserwartung eines NFL-Spielers liegt zwischen 53 und 59 Jahren. Und die Chance an neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer zu sterben, ist im American Football dreimal so hoch wie sonst. "Ich habe vier Kinder, eine wunderschöne Frau - und ich habe Todesangst davor, was mit mir in 10 oder 15 Jahren passieren könnte", sagt der 40 Jahre alte Rodney Harrison. Als Safety war er 15 Jahre lang in der NFL, gewann zweimal mit New England die Super Bowl und machte sich vor allem mit seinem kompromisslosen Spiel einen Namen. Zweimal wurde Harrison von seinen Kollegen zum "skrupellosesten Spieler der Liga" gewählt. Heute hingegen leidet er. "Ich habe oft Kopfschmerzen, sowie Symptome von Einsamkeit, Isolation und Beklemmung."

Er wirft der NFL vor, die Spieler zu seiner aktiven Zeit nicht genug geschützt zu haben. "Wenn ich einen Gegner hart gestoßen habe und alles verschwommen sah, haben sie mich zur Seitenlinie geholt. Ich blieb einen Spielzug draußen, bekam zwei Schmerztabletten und dann hieß es: Weiter geht's", sagt Harrison, der in seiner Karriere mindestens 20 Gehirnerschütterungen erlitten hat.

Roger Goodell betont, dass die Sicherheit der Spieler oberste Priorität habe. Der allmächtige Ligaboss hat die Regeln verschärft, Stöße zum Kopf oder Nacken verboten und die Strafen für überharte Aktionen angezogen. Und er hat dem Nationalen Gesundheitsamt NIH 30 Millionen Dollar für die Hirnforschung zugesichert. "Unser Ziel ist es, mit den besten Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten, um mehr über das Hirn und Hirnverletzungen zu erfahren und so das Spiel für unsere Akteure sicherer zu machen", betonte er. Doch für viele klingen Goodells Gedanken wie ein Oxymoron.

In der Saison 2011 gab es offiziell 266 Gehirnerschütterungen - doch die Dunkelziffer liegt höher. Damit sie sinkt, bekommen ab der neuen Spielzeit alle Teams eine Applikation. Mittels der darin gespeicherten Daten soll noch am Spielfeldrand festgestellt werden, ob Symptome einer Gehirnerschütterung vorliegen und der Spieler ausgewechselt werden muss. Dies war bislang nur mit Fragen wie "Wo sind wir?" oder "Was für ein Datum ist heute?" festgestellt worden.

Die Ergebnisse werden mit denen eines in der Saisonvorbereitung durchgeführten Basistests abgeglichen. "So kennt man bereits während der Untersuchung, den Normalzustand des Spielers", erklärt Dr. Margot Putukian vom Gesundheitsamt der Princeton University. Sie gehört dem NFL-Komitee für Kopf-, Nacken- und Wirbelsäulen-Verletzungen an, warnt aber auch davor, die App zu überschätzen.

90 Spieler mit Gehirnerschütterung

In der NHL wird ein Akteur beim Verdacht auf Gehirnerschütterung seit zwei Jahren nicht mehr auf der Ersatzbank untersucht, sondern in einen Ruheraum gebracht. Dass wieder stärker über das Thema diskutiert wird, liegt an Sidney Crosby. Der Superstar von den Pittsburgh Penguins erlitt 2011 innerhalb von elf Monaten zwei Gehirnerschütterungen und verpasste 101 Vorrunden-Partien. Nach Schätzungen des kanadischen TV-Senders "CBC" erlitten in der Vorsaison rund 90 Spieler, also 13 Prozent aller Profis, eine Gehirnerschütterung.

Diese Saison war kaum einen Monat alt, da wurden bereits elf Gehirnerschütterungen vermeldet. Bekanntester Leidtragender war Jewgeni Malkin (Pittsburgh), der wertvollste Spieler ("MVP") des Vorjahres. Die NHL hat zwar Stöße zum Kopf unter Strafe gestellt. Doch viele der Verletzungen in dieser Saison entsprangen gar nicht einem derartigen Regelverstoß. Malkin beispielsweise fiel nach einem Routine-Schubser eines Gegenspielers ungeschickt gegen die Bande.

(dpa/are/seeg)
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