Star-Quarterback Der ewige Tom Brady

Düsseldorf · Tom Brady eilt in der NFL von einem Meilenstein zum nächsten. Im Jahr 2000 ahnte noch niemand, wie sich dieser schlaksige junge Mann entwickeln würde, als er von den New England Patriots unter Vertrag genommen wurde.

Tom Brady stellt NFL-Rekord auf
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Foto: ap, WMS

Das Spiel zwischen den New England Patriots und Los Angeles Rams am 4. Dezember in der Nordamerikanischen Football-Liga (NFL) war eins für die Geschichtsbücher. Obwohl es eine eigentlich unspektakuläre Partie war, die die Patriots 26:10 gewannen. Obwohl ein Spielausgang wie dieser zu erwarten war. New England führte seine AFC-East-Division zu diesem Zeitpunkt souverän mit 9-2 Siegen an, der Gast aus Los Angeles war nur Dritter in der NFC West mit 4-8 Siegen. Was oder wer machte dieses Spiel also so außergewöhnlich?

Die Antwort lautet: Tom Brady, Quarterback der Patriots. Der Sieg gegen die Rams war sein 201., seitdem er das erste Mal in der NFL aufgelaufen war. Kein Spieler kann mehr Siege aufweisen. Und Brady brauchte nur 264 Spiele für den Rekord. Er löste Quarterback-Legende Peyton Manning ab, der 200 Siege vorzuweisen hat und nach der vergangenen Saison zurückgetreten ist. Das Spiel gegen die Rams wird dabei nicht mal als Bradys bestes Spiel in die Annalen eingehen. Mit einem Touchdown-Pass und 33 angekommenen Pässen für 269 Yards war er höchstens durchschnittlich für einen Quarterback seiner Klasse. Der 39-Jährige, seit 2009 mit dem brasilianischen Supermodel Gisele Bündchen verheiratet, ist in seiner 17. Saison als Profispieler. Er war während seiner Laufbahn kaum verletzt und liefert Jahr für Jahr konstant gute Leistungen ab. Das belegt ein durchschnittliches Quarterback-Rating von 97,0 — ein Rating von 100 oder höher gilt als sehr gut. Nicht wenige halten Brady vor allem wegen seiner Konstanz für den besten Quarterback aller Zeiten.

Dabei sah der Beginn seiner Karriere alles andere als glorreich aus. Thomas Edward Patrick Brady Jr., genannt "Tom", spielte während seiner Zeit auf der High School nicht Football, sondern Baseball. Auf dem College, der University of Michigan, war er dann zwar Footballer, in den ersten beiden Jahren aber nur Ersatzspieler. Erst im dritten Jahr schaffte er es, sich die Position des Starting Quarterback zu sichern. In den zwei noch verbleibenden Jahren wurde er aufgrund seiner Leistungen ins All-Star-Team seiner Conference gewählt und war im letzten Jahr sogar Team-Kapitän.

"Sah aus, als hätte er nie ein Fitnessstudio gesehen"

Im Jahr 2000 meldete sich Tom Brady für den Draft der NFL an. Er wurde in der sechsten von sieben Runden als 199. Spieler ausgewählt. Sechs Quarterbacks wurden damals von verschiedenen Teams als besser angesehen. Deren Namen: Chad Pennington, Giovanni Carmazzi, Chris Redman, Tee Martin, Marc Bulger und Spergon Wynn. Die werden vermutlich kaum jemandem etwas sagen. Sie alle haben ihre Profi-Karriere längst beendet und werden nicht als außergewöhnliche Spieler in Erinnerung bleiben. Der 1,93 Meter große Brady schon. Doch damals ahnte das noch niemand. "Er sah aus, als hätte er noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen", erinnerte sich ein ehemaliger Trainer. Brady sei einer der langsamsten Quarterbacks beim Draft Combine, der Talentsichtung, gewesen. Auch sein Wurfarm sei nicht herausragend, er habe sich nicht viel besser als ein Schüler angestellt. Aus ihm würde ein bestenfalls durchschnittlicher Quarterback werden, da war man sich einig. Könnte man den Draft-Jahrgang nach heutigem Wissen wiederholen, würde Brady sehr wahrscheinlich 198 Spieler früher gedraftet werden. Also an erster Stelle.

Es ahnte also noch niemand, wie sich dieser schlaksige junge Mann entwickeln würde, als er schließlich von den New England Patriots unter Vertrag genommen wurde. Eingeplant war er als 4. Quarterback, als dritter Ersatz des Starting Quarterback Drew Bledsoe. Immerhin schaffte es der damals 23-Jährige zum ersten Ersatzmann aufzusteigen. So kam er in seiner ersten Saison, dem Rookie-Jahr, immerhin auf einen Einsatz.

In seiner zweiten Saison, genauer am 23. September 2001, verletzte sich Bledsoe beim Spiel gegen die New York Jets. Daraufhin wurde Brady zum Starting Quarterback ernannt und gab diesen Platz seitdem nicht mehr her. Die Patriots verloren mit ihm nur noch drei weitere Spiele in dieser Saison, zogen in die Play-offs ein und gewannen zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Super Bowl. Brady wurde aufgrund seiner starken Leistung zum wertvollsten Spieler (MVP) des Spiels gewählt.

In den Jahren danach waren Brady und die Patriots nicht minder erfolgreich: 2003 und 2004 folgten die nächsten beiden Super-Bowl-Gewinne. Brady wurde 2003 zum zweiten Mal als MVP des Super Bowls ausgezeichnet. Vier Jahre später folgte der erste große Rückschlag: Brady verlor zum ersten Mal ein Finale. Gegner waren die New York Giants um Quarterback Eli Manning, den Bruder von Peyton Manning. Diese Saison war statistisch gesehen trotzdem Bradys erfolgreichste. Dementsprechend wurde er zum ersten Mal in seiner Karriere auch MVP der Regular Season gewählt. Mit 50 Touchdown-Pässen in einer Saison bei gerade einmal acht abgefangenen Pässen (Interceptions) stellte er den Rekord von Peyton Manning ein. Dieser holte ihn sich jedoch 2013 zurück, als er 55 Touchdown-Pässe an den Mann brachte.

Kreuzbandriss legt Brady auf Eis

2008 dann der Schock für Brady: Kreuzbandriss im ersten Saisonspiel, gleichbedeutend mit dem Saison-Aus. Es sollte Bradys bisher einzige schwere Verletzung in seiner Laufbahn bleiben. Trotz eines weiteren MVP-Titels 2010 ließ die Wiederholung des ganz großen Erfolgs mit den Patriots auf sich warten. 2011 folgte die nächste Super-Bowl-Niederlage. Wieder gegen die Giants. Wieder gegen Eli.

Stimmen wurden lauter, die behaupteten, Bradys Zeit in der NFL sei vorüber. Doch mit dem erneuten Gewinn des Super Bowls 2015 gegen die Seattle Seahawks und seiner dritten Ernennung zum MVP ließ er seine Kritiker verstummen. Und jedes Mal, wenn ihm seitdem ein altersbedingter Leistungsabfall vorhergesagt wurde, strafte er seine Kritiker auf aufs Neue Lügen. Während man anderen Quarterbacks wie Peyton Manning ihr vergleichsweise hohes Alter zum Schluss angemerkt hat, könnte man meinen Brady werde immer jünger. Seine Beine bewegen sich schneller als am Anfang der Karriere, sein Wurf ist präziser. Er wirkt austrainierter, in jeder Faser seines Körpers. Einerseits liegt es an seinem unfassbaren Ehrgeiz. Seit dem Beginn seiner Karriere war und ist er immer noch jeden Morgen der erste auf dem Trainingsgelände. Andererseits liegt es wohl an seiner etwas seltsam anmutenden Ernährung: Der Vater von zwei Kindern isst weder Zucker noch Mehl und kaum Fleisch. Selbst Bananen stehen auf dem Index. Klingt komisch, funktioniert aber.

Mit inzwischen 39 Jahren spielt er dem Quarterback-Rating zufolge die zweitbeste Saison seiner Karriere und gilt in dieser Saison erneut als aussichtsreichster Anwärter auf den MVP-Titel. Und das, obwohl er die ersten vier Spiele der Saison wegen des sogenannten Deflategate beim AFC-Championship-Game der Saison 2014 verpasst hatte. Was war damals passiert? Im Nachhinein war festgestellt worden, dass die Bälle in dem betreffenden Spiel mit zu wenig Luft gefüllt waren, was gegen Regularien der NFL verstieß. Brady wurde eine Mitwisserschaft unterstellt und für schuldig erklärt.

Doch selbst davon ließ Brady sich nicht aufhalten. Während andere MVP-Kandidaten wie Dallas' Quaterback Dak Prescott oder Oaklands Derek Carr am 14. Spieltag schwächelten, lieferte Brady seine wahrscheinliche beste Leistung dieser Saison ab. In der Nacht von Montag auf Dienstag deutscher Zeit trafen die Patriots auf die Baltimore Ravens. Auch wenn die Ravens vor dem Spieltag nur bei 7-5 Siegen standen, gilt ihre Defensive als eine der besten der Liga. Doch Brady führte sein Team zu einem 30:23-Sieg. Er selbst hatte mit 25 angekommenen Pässen für 406 Yards, wobei drei zu einem Touchdown führten, großen Anteil daran.

Angstgegner Denver Broncos

Am Wochenende stand Brady seine bisher wohl größte Prüfung in dieser Saison bevor: Die Patriots mussten nach Denver, zu den Broncos, dem Super-Bowl-Champion der letzten Saison. Auch wenn diese nicht mehr die Qualität des letzten Jahres aufweisen, standen sie vor dem Spieltag bei 8-5 Siegen und hatten noch Chancen auf einen Platz in den Play-Offs. Sie sind Bradys Angstgegner. Nur gegen das Team aus dem Mile High Stadium weist er eine negative Siegesbilanz auf. Aber selbst dieser Gegner konnte ihn nicht stoppen. Dank einer starken Defensivleistung gewannen die Patriots 16:3 und sind mit 12-2 Siegen schon jetzt Gewinner ihrer Division. Der 39-Jährige machte dabei ein unterdurchschnittliches Spiel ohne einen Touchdown, aber führte die Patriots mit 188 geworfenen Yards dennoch zum Sieg.

Brady wird in seiner Karriere wahrscheinlich nicht mehr die Rekorde für die meisten geworfenen Yards oder Touchdowns brechen. Er wird wohl auch nicht öfter als Peyton Manning zum MVP der Regular Season gewählt werden. Doch er wird als bester Playoff-Quarterback aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Niemand außer NFL-Legende Joe Montana ist so bekannt dafür, einen kühlen Kopf zu bewahren und die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es heißt: Alles oder nichts, Triumph oder Niederlage. Bis jetzt haben beide vier Mal die Vince-Lombardi-Trophäe für den Sieg im Super Bowl in ihren Händen gehalten. Mit einem Finalsieg in dieser Saison würde er eben diesen Montana überholen. Es wäre ein weiterer Meilenstein in Bradys einzigartiger Karriere. Und es wäre ein weiteres Argument dafür, ihn den besten Quarterback aller Zeiten zu nennen. Einige seiner Rekorde werden für die Ewigkeit stehen bleiben. Und mit ihnen auch der Name Tom Brady.

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