Umzugswelle in der NFL Und plötzlich ist das Team weg

New York · Zwei NFL-Teams haben sich zuletzt nach Jahrzehnten von ihren Standorten verabschiedet, der nächste Umzug steht in Oakland bevor. In den USA ist es nichts besonderes, wenn Fans vom einen auf den anderen Tag von ihrem Team sprachlos zurückgelassen werden.

NFL: Fans der San Diego Chargers verbrennen Trikots
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Wütende Charger-Fans verbrennen Trikots

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Foto: ap, DP

Kirby Troth ist vielleicht 70. Seine Haare sind schon lange weiß, sein Schnauzbart ist es auch, heute trägt der ältere Herr aus San Diego Zivil. "Ich habe meine Fanklamotten ausgezogen und auf den Boden geworfen. Wie Müll, genau das sind die Chargers", sagt Troth. Er ist fertig mit dem Team.

Von einem auf den anderen Tag wurde Troth wie so viele andere alleine gelassen. Die San Diego Chargers aus der milliardenschweren Football-Profiliga NFL ziehen weiter, ab der kommenden Saison spielt die Mannschaft in Los Angeles, 200 Kilometer nördlich. Relocation nennt sich ein solcher Prozess in den USA, die Franchise wird komplett verpflanzt, mit allem Drum und Dran - es geht zurück zu den Wurzeln.

Die Chargers wurden in L.A. gegründet, spielten dort aber nur eine Saison. Seit 1961 war San Diego ihre Heimat, jetzt kommt es zum Abschied. Grund dafür sind vor allem gescheiterte Verhandlungen über den Bau eines neuen Stadions, Stadt und Klub konnten sich nicht einigen. So läuft das oft.

Ab 2019 spielen die Chargers in einer neuen Arena im Vorort Inglewood nahe des Flughafens. Sie teilen sich eine 2,6 Milliarden Dollar teure Spielstätte mit den Rams, die bereits vor einem Jahr von St. Louis nach L.A. zurückgekehrt waren. Bis der Bau fertig ist, weichen die Klubs in kleinere Stadien aus. Und 2020 gehen dann die Oakland Raiders nach Las Vegas.

Nicht nur im Football müssen Fans damit leben, dass ihnen kurzerhand ihr liebstes Hobby genommen wird. Im Basketball erwischte es etwa die Seattle SuperSonics, das NBA-Team zog ins gut 3000 Kilometer entfernte Oklahoma City um. Das NHL-Eishockeyteam Québec Nordiques ging sogar über die Landesgrenze, im Jahr 1995 erfolgte der Umzug aus Kanada nach Denver, dort spielen sie unter dem Namen Colorado Avalanche.

Was solche Entscheidungen gerade für Dauerkartenbesitzer bedeuten, lässt sich leicht nachvollziehen. Woche für Woche tragen die Fans ihr Geld in die Arenen, fiebern, zittern, leiden und haben einfach nur eine gute Zeit. Wenn es hart auf hart kommt, wird darauf keine Rücksicht genommen. Die große Liebe geht einfach.

"Ein Umzug ist immer schmerzhaft für die Teams und die Gemeinden. Vor allem aber für Fans, und die Fans in San Diego haben die Chargers mehr als 50 Jahre loyal unterstützt", sagte NFL-Boss Roger Goodell, als die Liga zugestimmt hatte. Für die warmen Worte kann sich niemand etwas kaufen.

"Es gibt keine Chargers mehr. Sie sind tot", sagt Kirby Troth. Er könnte sie im Fernsehen weiter anfeuern, es wird nicht passieren: "Mir ist total egal, wie viele Spiele sie in L.A. machen. Das werde ich mir niemals anschauen."

Troth protestierte zuletzt mit Leidensgenossen vor der Klubzentrale. Trikots, Jacken, Mützen, Socken, Poster und Kaffeebecher mit dem Chargers-Logo flogen auf einen Haufen, dann wurde dieser angezündet. Später ließ es sich ein Fan nicht nehmen, in aller Seelenruhe ein rohes Ei nach dem anderen gegen das Gebäude zu werfen.

Im Widerstand gibt es Solidarität. Möbelpacker und Umzugsunternehmen aus San Diego rufen dazu auf, den Abzug zu boykottieren. Unter der Website wewontmoveyouchargers.com haben sich 25 Firmen vereinigt, um den Chargers Steine in den Weg zu legen. Verhindern können sie den Abschied nicht.

(sid)
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