Special Olympics Olympia im Sauerland

Willingen · Vier Tage lang messen sich 700 Wintersportler mit geistiger Behinderung bei den Special Olympics in Willingen. Die Spiele sind vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannt.

 Werner Wiedemann, Andre Straub, Mickel Schwab und Martin Leiminger kurz nach dem Start zur Klassifizierung über 400 m.

Werner Wiedemann, Andre Straub, Mickel Schwab und Martin Leiminger kurz nach dem Start zur Klassifizierung über 400 m.

Foto: David Klein

Simon Brender steht auf der Kuppe des Ettelsberges und dehnt seine Muskulatur. Er trägt eine blaue Skijacke, eine schwarze Hose und einen weißen Helm. In seiner dicken Skibrille spiegeln sich die dampfenden Schornsteine des Ortes im Tal. Über Willingen hängt an diesem Wintertag eine dichte graue Wolkendecke. Das Thermometer zeigt 3,5 Grad — keine idealen Bedingungen für alpinen Skisport im Sauerland.

Doch Brender und den anderen Athleten bei den Special Olympics ist das egal. Sie wollen um jeden Preis antreten, egal wie schlecht die Schneeverhältnisse auch sein mögen. Die Schneekanonen waren in der Nacht zuvor im Dauerbetrieb. Und so zieht sich immerhin ein schmales weißes Schneeband den braungrauen Abhang hinab bis in den Ort. Brand ist Snowboarder und wartet auf der Bergkuppe auf seinen großen Auftritt. Einen Tag zuvor hat er sich für den Finallauf qualifiziert. Sein Rennen steht unter besonderen Vorzeichen. Denn wie alle anderen Athleten auf dem Hügel hat er eine geistige Behinderung.

Die Special Olympics, die noch bis heute ausgetragen werden, sind die nationalen Winterspiele geistig behinderter Menschen. Die Spiele sind vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannt und werden im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgetragen - Sommer- und Winterspiele im Wechsel. In diesem Jahr messen sich 700 Sportler aus Deutschland in sieben Disziplinen, darunter klassische wie Ski, Snowboard und Langlauf, aber auch exotische wie Schneeschuhlauf und Floorball.

Während sich Brender auf dem Ettelsberg noch auf seinen Start vorbereitet, geht es 500 Meter Luftlinie von ihm entfernt schon heiß her. In der Sporthalle der örtlichen Grundschule werden die Wettkämpfe im Floorball ausgetragen. Schweißgeruch liegt in der Luft, laute Anfeuerungsrufe sind zu hören. Es geht überraschend ruppig zu. Dass es getreu dem Motto der Spiele "Gemeinsam stark" nicht vorrangig um das Gewinnen geht, tut dem Ehrgeiz der Athleten keinen Abbruch. Beim Floorball treten zwei Viererteams in einer Art Hallenhockey gegeneinander an. Gespielt wird zweimal acht Minuten, mit Plastikschlägern und Plastikball. Hinter einem der Tore sitzen die Willinger Grundschüler. Sie haben Plakate gebastelt. Auf einem davon steht: "Wir haben großen Respekt vor euch."

In der Eissporthalle der Gemeinde finden derweil die Wettkämpfe im Eisschnelllauf statt. Drinnen ist es deutlich kälter als vor der Tür. Grün gestrichene Stahlbalken halten die Deckenkonstruktion aus dickem Wellblech. Die Athleten tragen - nach dem Vorbild olympischer Shorttrack-Fahrer - gelbe Überzüge über ihren Helmen. Sie treten über unterschiedliche Distanzen an, und ihnen stehen Helfer zur Seite, die eingreifen, sobald einmal etwas schiefläuft. Die Atmosphäre ist angenehm, vielleicht sogar angenehmer als bei so manchen Olympischen Spielen. Allen Teilnehmern wird dasselbe Maß an Aufmunterung durch das Publikum zuteil. Wer stürzt, dem wird aufgeholfen. Und selbst die Athleten feuern lautstark ihre Konkurrenten an.

Simon Brender bekommt von all dem nichts mit. Er hat sich auf die Abfahrt konzentriert. Er schiebt sein schwarzes Board, das mit Tribal-Mustern verziert ist, an die Startkante. Als der Startschuss ertönt, wirft er sich voller Energie in Richtung Tal. Für die rund 300 Meter lange Strecke braucht er zwei Minuten. Für den Sieg ist das deutlich zu langsam. Das weiß er. Trotzdem muss er lächeln. "Das war toll", sagt er zu seinem Betreuer. "Klar, ich war lahm. Aber immerhin bin ich unten angekommen."

(th)
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