Biathlon Auch Norwegen will Weltcup in Russland boykottieren

Düsseldorf · Der Biathlon-Weltverband IBU gerät in der russischen Dopingaffäre massiv unter Druck und muss sogar Boykotte seiner erfolgreichsten Nationen fürchten.

Russischer Dopingsumpf: eine Chronologie
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Foto: dpa, mr nic sup gfh

Nach Tschechien und Großbritannien haben auch die mächtigen Norweger um Rekord-Olympiasieger Ole Einar Björndalen drastische Konsequenzen angekündigt, falls nach dem Bekanntwerden der erheblichen Manipulationsvorwürfe gegen Russland nicht schnell und konsequent gehandelt wird.

"Wir vertrauen darauf, dass der IBU-Vorstand die notwendigen Entscheidungen treffen wird, um dem Ansehen des Biathlons nicht zu schaden. Sollte das nicht passieren, wird das norwegische Team über einen Boykott der internationalen Veranstaltungen in Russland nachdenken", hieß es in einem offenen Brief des norwegischen Verbands: "Wir sollten unser Gesicht vor Sponsoren, Medien und Fans nicht verlieren." Erst vergangene Woche hatte der Bob- und Skeleton-Weltverbandes IBSF Sotschi im Zuge der Enthüllungen die WM 2017 entzogen.

Das Schreiben, das von Präsident Erlend Slokvik und Generalsekretär Rakel Rauntun unterschrieben wurde, veröffentlichte der nationale Fernsehsender TV2 auf seiner Homepage. Es wurde bereits am Dienstag an den Weltverband IBU versandt, der am Donnerstag gemeinsam mit einer fünfköpfigen Expertengruppe über die jüngsten Dopinganschuldigungen gegen Russland berät und anschließend über Konsequenzen entscheiden will.

31 Biathleten gehören zu den dopingverdächtigen Athleten aus Russland, die Ermittler Richard McLaren in seinen Untersuchungen zum Doping-Skandal belastet. Zuvor hatten bereits Tschechien um die Gesamtweltcupsiegerin Gabriela Koukalova und Großbritannien erklärt, nicht zum Weltcup ins westsibirische Erdölzentrum Tjumen (9. bis 12. März 2017) zu reisen.

"Das ist die Folge der Gehirnwäsche und der verblendeten, unehrlichen Kommentare der russischen Athleten, dass es beim McLaren-Report um Politik und nicht um den Sport geht", schrieb der britische Verband BBU. Außerdem müssten viele Ergebnisse der Winterspiele 2014 aus Sotschi als "ein Witz" angesehen werden. Die russischen Skijäger hatten mit der Männerstaffel Gold vor Deutschland und mit dem Frauenteam Silber gewonnen. Zudem holte Jewgeni Garanitschew Bronze im Einzel.

"Wir fordern den IBU-Vorstand in diesem Fall energisch zum Handeln auf", schrieben die Norweger. Unter anderem müssten alle namentlich genannten und überführten Athleten sofort gesperrt werden. Außerdem sollen neben dem achten Weltcup der Saison in Tjumen auch die Junioren-WM im Frühjahr in Ostrow verlegt werden. "Wir müssen Verantwortung für den Rest der Biathlonfamilie übernehmen." Russland dürfe erst wieder Wettbewerbe ausrichten, wenn die Dopingstandards wieder glaubwürdig erfüllt sind.

Außerdem zeigten sich die Norweger enttäuscht, dass die Russen mit Tjumen überhaupt am Bieterverfahren für die WM 2021 teilnehmen konnten. Sie wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dies entgegen der Empfehlungen des Internationalen Olympischen Komitees geschah. Das IOC hatte den Weltverbänden erst im Juni empfohlen, nach den Enthüllungen des McLaren-Reports keine Großveranstaltungen mehr nach Russland zu vergeben. Trotzdem erhielt Tjumen im September den Zuschlag für die WM.

Der Deutsche Skiverband (DSV) äußerte sich zuletzt noch zurückhaltend und will zunächst abwarten, was die IBU beschließt. Erst danach werden weitere Schritte öffentlich gemacht.

Angesichts der zahlreichen Verfehlungen Russlands in der Vergangenheit scheinen drakonische Strafen unausweichlich. Im Zuge der bislang letzten großen Dopingermittlungen war der russische Verband RBU nach drei positiven Fällen in der Saison 2013/14 zur Höchststrafe von 100.000 Euro verurteilt worden. Bereits 2009 mussten wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Bestimmungen 50.000 Euro gezahlt werden.

(sid)
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