Biathlon-Staffel siegt in Hochfilzen Geht doch!

Gelsenkirchen/Hochfilzen · Was hatten die deutschen Biathletinnen nach dem Olympia-Debakel an Kritik einstecken müssen! Mit dem Sieg in Hochfilzen hat die Staffel nun für einen Stimmungsumschwung gesorgt.

 Die deutsche Damen-Staffel hat in Hochfilzen gewonnen.

Die deutsche Damen-Staffel hat in Hochfilzen gewonnen.

Foto: ap

Das Schalker Arena-Management hat Erwin und Helmut Kremers hervorgekramt. Die beiden Fußball-Helden der 1970er finden Biathlon toll. "Es ist ein wahnsinnig spannender Wettkampf und eine körperliche Höchstleistung, den Puls so hoch zu treiben und dann am Schießstand ruhig zu bleiben", sagen die Zwillinge (65) und machen gern Werbung für das Hallenspektakel am 27. Dezember. In Händen halten sie das Plakat der Veranstaltung.

Üblicherweise wird dort ein Topstar abgebildet, der sehr schnell skilanglaufen und im Umgang mit dem Gewehr besonders geschickt ist. Dieses Mal ist dort ein früherer Topstar abgebildet, der mal sehr schnell skilanglaufen konnte und im Umgang mit dem Gewehr besonders geschickt war: Magdalena Neuner.

Deren aktive Karriere liegt immerhin noch nicht so lange zurück wie die der Kremers-Zwillinge. Doch die Tatsache, dass eine Co-Moderatorin als Covergirl dient, zeigt einerseits, wie populär "die Lena" nach wie vor ist, und andererseits, dass dem deutschen Biathlon ein Gesicht fehlt, das über das Stammpublikum hinweg bekannt und damit plakattauglich ist. Miriam Gössner könnte diese Rolle übernehmen. Nach ihrem schweren Radunfall läuft die Freundin von Skirennläufer Felix Neureuther der Musik noch so weit hinterher, dass sie als Superstar schwer zu vermitteln wäre.

Deutschlands populärste Wintersportart ist im Umbruch. In Andrea Henkel beendete die letzte Vertreterin der vielen goldenen Generationen nach den Olympischen Spielen ihre Karriere. Das Debakel von Sotschi, als die Biathletinnen erstmals keine Medaille holten und im Staffelrennen als Elfte ein Desaster erlebte, wirkt nach.

Staffelsieg macht Hoffnung

Dass die Damen nun das erste Staffelrennen der nacholympischen Saison im österreichischen Hochfilzen für sich entscheiden konnten, macht Hoffnung. "Wir wussten ja vorher schon, dass wir es können. Nur alle anderen wussten es noch nicht", sagte Franziska Hildebrand, die mit 27 Jahren erfolgreichste des Quartetts, "das ist gut für die Außendarstellung, dass alle sehen, wir sind ein gutes Team, auch wenn wir jung sind."

Magdalena Neuner gratulierte per Facebook. "Einfach großartig" schrieb sie. Ihr Wort hat im dritten Jahr nach ihrem Karriereende noch Gewicht - nicht nur auf Schalke. Der deutschen Mannschaft ist sie nicht nur verbunden, weil sie wie schon im Sommer zuvor die Pudelmützen gestalten durfte. Seit dem Sommer gilt die zwölfmalige Weltmeisterin auch als Chefkritikerin des Deutschen Skiverbands (DSV), Sparte Biathlon.

Die Erfolglosigkeit nach Jahren der Triumphe hänge auch mit der Unbeweglichkeit des Verbands und veralteten Trainingsmethoden zusammen, hatte die während ihrer Karriere eher brave Neuner im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen" gesagt: "Da ist alles verkrustet und alteingesessen, es wird nicht weiter gedacht."

Doch es hat Änderungen gegeben. Einen Nachfolger für den in den Ruhestand gewechselten Uwe Müssiggang als Cheftrainer gab es nicht. Tobias Reiter ersetzte Ricco Groß als Frauencoach (Neuner: "Das war eine gute Entscheidung, die Mannschaft braucht jemand, der ein bisschen mehr Gefühl für die jungen Mädels hat, der voll hinter ihnen steht"). Und Karin Orgeldinger zieht als Sportdirektorin für den Bereich Nordisch und Biathlon jetzt die Fäden.

"Wenn die Saison, die im Zeichen des Neuaufbaus steht, so beginnt, dann macht das richtig Spaß", sagte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig, der Freudentränen in den Augen hatte. Das junge Quartett mit Luise Kummer (21/Frankenhain), Vanessa Hinz (22/Schliersee), Franziska Preuß (20) und Hildebrand (27) zeigte keine Nerven. Während es die Männer-Staffel nur auf Rang fünf schaffte, hängten die Frauen die Konkurrenz um mehr als 20 Sekunden ab. Gestern landeten in den Franziskas Preuß (7.) und Hildebrand (8.) wieder zwei Deutsche in den Top 10. "Das mit dem Podium können wir uns noch ein bisschen aufheben", scherzte Klassensprecherin Hildebrand. In den Einzel-Wettbewerben reichte es bei den ersten beiden Weltcups bislang noch nicht für den Sprung auf das Podest.

Trotz der positiven Eindrücke bremste Cheftrainer Hönig die Erwartungen an seine Mannschaft, die mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren so jung ist wie seit der Wiedervereinigung noch nie. "Wir sollten nicht so blauäugig sein und erwarten, dass es von Woche zu Woche so weitergeht", mahnte der 56 Jahre alte Thüringer, "es wird auch wieder Wettkämpfe geben, in denen man sieht, dass sie jung sind und noch nicht diese Stabilität haben."

Nur Miriam Gössner bereitet Sorgen. Nach ihrer siebenmonatigen Verletzungspause kommt die 24-Jährige nur schwer in Gang. Nachdem sie am Freitag im Sprint eine Strafrunde zu wenig gelaufen war, verpasste sie als 93. die Verfolgung und reiste am Samstagmorgen enttäuscht aus Österreich ab.

Von einem "mentalen Tiefschlag" sprach Hönig anschließend. Ob Gössner in der kommenden Woche beim letzten Weltcup des Jahres in Pokljuka/Slowenien dabei sein wird, steht noch nicht fest. Ihre Mitstreiterinnen freuen sich jedenfalls auf die Rennen ab Donnerstag. "Der Aufwärtstrend ist da, das macht gerade richtig Spaß", sagte Preuß.

Und auf Schalke glauben sie ohnehin an die Zukunft des Biathlons. Der Vertrag für das 2002 etablierte Spektakel "zwischen den Jahren" wurde gerade bis 2018 verlängert.

(RP)
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