DSV-Adler Gemeinsam sind sie Star

Willingen · Der Skisprung-Weltcup in Willingen zeigt: Ohne Severin Freund ziehen die Deutschen ihre Stärke aus dem Team. Das lässt hoffen für die WM.

Skispringen: Andreas Wellinger holt in Willingen zweiten Weltcup-Sieg
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Wellinger landet in Willingen zweiten Weltcup-Sieg

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Foto: dpa, ade

Manchmal können betretene Mienen auch ein gutes Zeichen sein. Wie am Samstag in Willingen. Kamil Stoch hatte gerade als letzter Starter unter dem Jubel tausender polnischer Landsleute den Sieg im Mannschaftsspringen perfekt gemacht, als die Kameras beim deutschen Team eine ziemlich sparsame Mimik einfingen. Markus Eisenbichler, Stephan Leyhe, Andreas Wellinger und Richard Freitag wurden hinter den Österreichern Dritte. Nicht schlecht für ein Team, dem in Severin Freund (Kreuzbandriss) sein Bester seit Jahresbeginn fehlt. Aber ganz offenbar inzwischen nicht mehr gut genug für den Ehrgeiz eines Quartetts, das dieser Tage gehörige Qualität aus seinen Auftritten als Team zieht.

"Wir haben bis auf Andi Einiges liegen gelassen. Dann wird man halt nur Dritter. Ich bin enttäuscht, aber das gehört zum Leben", sagte Eisenbichler. Die Hausherren hatten vor 21.000 Fans beim Kult-Weltcup im Kegeltour- und Mannschaftsfahrt-Paradies Willingen nach dem ersten Durchgang vorne gelegen, und Eisenbichler, vor allem aber besagter "Andi" Wellinger (mit Sprüngen über 145 und 139 Meter bestes Einzelergebnis) hielten die Sieghoffnungen aufrecht. Am Ende fehlte Lokalmatador Leyhe und Freitag die Konstanz, um den Polen und Österreichern Paroli bieten zu können - anders als eine Woche zuvor, als Deutschland Stoch und Co. bei deren Heim-Weltcup in Zakopane den Mannschaftserfolg weggeschnappt hatten. "Es war klar, dass es ein zähes Ringen um den Sieg wird. Leider waren zwei Sprünge dabei, die nicht flüssig waren. Dennoch: Es war das zweite Springen ohne Severin, und wir standen jedes Mal auf dem Podest", sagte Bundestrainer Werner Schuster.

Und so gilt im deutschen Springer-Lager momentan die Devise: Der Star ist verletzt, es lebe der Star - die Mannschaft. Eine Mannschaft, die dreieinhalb Woche vor Beginn der Nordischen Ski-WM im finnischen Lahti endgültig zum Medaillenkandidaten gewachsen ist. "Entschuldigen Sie den Ausdruck, aber die Piefkes sind heute richtig stark", sagte Österreichs Gregor Schlierenzauer dann auch anerkennend zur Halbzeit des Willinger Springens. Die Österreicher wie die Polen haben längst registriert, was für ein Konkurrent da auch ohne Freund auf der Matte steht. Die wohl größte Stärke des deutschen Teams ist die, keinen Athleten durchschleppen zu müssen. In Willingen waren Leyhe und Freitag zwar hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben, aber sie hatten eben auch nicht maßlos enttäuscht. Weil es keinen Überspringer im Team gibt, gibt es auch niemanden, dem die anderen die Hauptlast des Erfolgs zuschieben kann. So verändern sich Rollen, wie Bundestrainer Schuster mit einiger Zufriedenheit beobachtet. "Die Mannschaft wächst zusammen. Jeder geht aus sich heraus. Die Leute sind in einer anderen Verantwortung, und sie fangen ganz gut an, dies zu lösen", sagte er.

Besonders Wellinger, der 21-Jährige aus Traunstein, blühte zuletzt innerhalb des Mannschaftsgefüges richtig auf. "Er ist sehr stabil geworden. Er hat im Training und Wettkampf fast nur einstellige Platzierungen. Er kann mit allen Verhältnissen und allen Schanzen umgehen. Das ist eigentlich das erste Mal in seiner Karriere und eine wichtige Basis", sagte Schuster. Und als wollte Wellinger bestätigen, wie verlässlich er diese Basis inzwischen abrufen und was von dieser Basis aus alles möglich ist, gewann er gestern zum Abschluss in Willingen den Einzelwettkampf. "Es war ein fantastisches Wochenende für ihn", sagte Schuster. Es war auch wieder ein fantastisches Wochenende näher zur WM. Eine WM, in der für Deutschland plötzlich vieles möglich scheint. Als Team.

(klü)
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