Jammervoller Zustand des WM-Gastgebers Schweden springen nur noch so weit wie die Türken

Falun · Am Mittwoch beginnt in Falun die WM, doch der Gastgeber steckt in einer tiefen Krise. Im Langlauf gehört Schweden zwar zur Weltspitze, im Springen und Kombinieren aber zu den Entwicklungsländern.

 Schwedens Skiflieger springen seit Jahren hinterher.

Schwedens Skiflieger springen seit Jahren hinterher.

Foto: dpa, Daniel Karmann

Christian Inngjerdingen durfte zufrieden sein an diesem bitterkalten japanischen Januar-Mittag. Platz 25 hatte Schwedens derzeit bester Skispringer in Sapporo belegt. Zwar nicht im Welt-, sondern nur im zweitklassigen Continental Cup, aber immerhin war es das Top-Ergebnis eines Athleten der "Tre Kronor" in diesem Winter. In der Saisonwertung der zweiten Liga liegt der 18-Jährige auf Platz 108 - die Erben des Sprunghelden Jan Boklöv hüpfen derzeit hinterher.

Am Mittwoch beginnen in Falun die nordischen Ski-Weltmeisterschaften, doch die große Wintersport-Nation Schweden befindet sich in einem jammervollen Zustand. Der Niedergang des WM-Gastgebers betrifft mittlerweile alle drei nordischen Disziplinen.

Die führenden Skispringer Schwedens bewegen sich auf einem Niveau mit den stärksten Türken und Rumänen. Als jüngst der Continental Cup der Kombinierer in Falun zu Gast war, glänzten die Lokalmatadoren mit Abwesenheit - was nur logisch war: Derzeit gibt es keinen schwedischen, Skizweikämpfer, der international startet.

Immerhin: Die Langläufer gehören weiterhin zur Weltspitze, sind aber im Vergleich mit Erzrivale Norwegen zunehmend chancenlos. "Wir haben in Falun zwar Medaillenchancen. Aber Gold? Das ist doch unsicher", sagt Schwedens Langlauf-Legende Thomas Wassberg: "Die Norweger um Petter Northug sind Favoriten."

Punktuell konnten die schwedischen Läufer zuletzt durchaus Glanzlichter setzen. Bei Olympia 2014 gewannen sie beide Staffeln, bei der WM 2013 triumphierte Johan Olsson im Königsrennen über 50 km. Anders im Vorfeld der Heim-Titelkämpfe: 31 von 46 Weltcup-Siegen gingen an Norwegen, nur drei an Schweden - als die Norwegerinnen in Otepää und Rybinsk nicht in Bestbesetzung antraten sowie am Sonntag in Östersund durch Charlotte Kalla.

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Verglichen mit der Lage im Springer-Lager sind das geradezu paradiesische Zustände. Der letzte Weltcup-Sieg durch Staffan Tällberg liegt 24 Jahre zurück, die letzte Top-10-Platzierung immerhin 14. Der vor gut fünf Jahren eingeleitete Neuaufbau im Hinblick auf die Heim-Titelkämpfe ist grandios gescheitert.

"Das schwedische Skispringen ist auf einem guten Weg", hatte der damalige Chefcoach Kjetil Strandbraten nach der WM 2013 gesagt: "Wir müssen Geduld haben, dürfen nicht zu viel für Falun erwarten. Wir werden dann aber viel weiter sein."

Wenige Wochen später wurde Strandbraten gefeuert, unter Nachfolger Trond Jöran Pedersen ging es keinen Millimeter vorwärts. Ausgerechnet in Falun, wo der fünfmalige Weltcupsieger Boklöv vor 30 Jahren den revolutionären V-Stil erfand, werden Schwedens Springer bestenfalls eine Randnotiz sein.

Die Begeisterung für den nordischen Skisport ist dennoch ungebrochen. Mehr als 150.000 WM-Tickets sind bereits verkauft, bei den Highlights wird das Lugnet-Skistadion ein Hexenkessel sein: Am 26. Februar kämpfen in der Frauen-Staffel Olympiasieger Schweden und Weltmeister Norwegen um Gold, einen Tag später folgt das Männer-Duell der beiden Erzrivalen.

Der 50-km-Marathon am Schlusstag verspricht ebenfalls Gewaltiges. So wie schon 1993, als der große Schwede Torgny Mogren in Falun WM-Gold holte - und 50.000 Landsleute an der Strecke eskalierten. In einer Zeit, als die schwedische Wintersport-Welt noch eine heile war.

(sid)
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