Von Frenzel bis Freund Die Stars der nordischen Ski-WM 2015
Wir zeigen Ihnen fünf deutsche und fünf internationale Teilnehmer, auf die Sie bei der nordischen Ski-WM achten sollten.
SEVERIN FREUND (26/Skispringen): Sicher, Deutschlands Springer Nummer 1 gehört nicht zu den gering dekorierten Vertretern seiner Zunft. Team-Olympiasieger ist er, Skiflug-Weltmeister ebenso, 13-maliger Sieger im Weltcup. Nur: Das richtig große Ding in einem richtig großen Einzelwettkampf lässt bislang auf sich warten: Vierter war er bei der WM 2013, Blech wurde es auch bei Olympia 2014. Nun scheint die Zeit für den Niederbayern reif, Freund sprang zuletzt fast schon in einer anderen Liga, ist mental unglaublich stark geworden. Es könnten seine Weltmeisterschaften werden.
CARINA VOGT (22/Skispringen): Nein, sagt Bundestrainer Andreas Bauer, das Gold von Sotschi habe Carina kaum verändert. Gelassener ist sie vielleicht geworden, kann Rückschläge wie nach der umfassenden Knie-OP im vergangenen Jahr leichter wegstecken. Mit dem Selbstvertrauen einer jungen Frau, die bereits Geschichte geschrieben hat: Vor zwölf Monate wurde Vogt die erste Skisprung-Olympiasiegerin - ein Coup fast schon für die Ewigkeit. In der laufenden Saison sorgte sie für die ersten beiden deutschen Weltcup-Siege. Und in Falun? Erste deutsche Weltmeisterin? Dem Sprung-Wunder aus Degenfeld ist es zuzutrauen.
ERIC FRENZEL (26/Kombination): Wie weitermachen, wenn schon alles erreicht ist? Frenzel, jenes unscheinbare Kerlchen, in dem aber doch soviel Kraft steckt, ist Olympiasieger, zweimaliger Weltmeister, zweimaliger Gesamtweltcup-Gewinner. Ehemann, stolzer Vater, Häuslebauer. Nur eines ist der Sachse nicht: satt. Und deshalb wird Frenzel auch Falun in den Angriffs-Modus schalten. Alles erscheint möglich, selbst der historische "Grand Slam" mit vier Titeln. Und danach? Geht es eben weiter.
CLAUDIA NYSTAD (37/Langlauf): Die erfolgreichste deutsche Skilangläuferin der Geschichte wird nach der WM zurücktreten. Wie schon nach ihrem zweiten Olympia-Gold 2010. Und diesmal dürfte es endgültig sein. Vorher aber soll "Claudsch" in Falun noch einmal in die Rolle des Erfolgsgarantin schlüpfen - mit Ausnahme der WM 2005 in Oberstdorf hat die Oberwiesenthalerin seit 2002 bei jeder Weltmeisterschafts- und Olympia-Teilnahme eine Medaille geholt. Höhepunkte waren WM-Gold 2003 sowie die olympischen Siege 2002 (beides Staffel) und 2010 (Teamsprint). Nach ihrem Comeback vor anderthalb Jahren führte Nystadt das deutsche Quartett bei den Spielen in Sotschi noch einmal zu Bronze - mit ihrer Erfahrung und Abgebrühtheit soll dies in Falun ein letztes Mal funktionieren.
TIM TSCHARNKE (25/Langlauf): Die Wundertüte aus Weißenfels. Kaum ein Weltklasse-Athlet hat eine derartige Streuung wie der Edeltechniker und Klassik-Spezialist. An schlechten Tagen kann Tscharnke durchaus auf einem Platz jenseits der 70 landen, an guten ganz nach vorne rennen - wie zuletzt Anfang Januar bei seinem Massenstartsieg in Val di Fiemme. Der Schützling von Trainerfuchs Cuno Schreyl hat beste Voraussetzungen, in die Fußstapfen eines Axel Teichmann oder Tobias Angerer zu treten, allerdings auch ein - nun ja: Sensibilitäts-Problem. Wetter, Strecke, Schnee, Technik: Für Tscharnke muss alles passen. Tut es das, ist ihm alles zuzutrauen - auch in Falun.
MARIT BJÖRGEN (34/Norwegen/Skilanglauf): Ein wenig erwartet man stets, dass Marit Björgen auf der Stelle eine rohe Kartoffel aus der Tasche zieht und sie in bester Raimund-Harmstorf-Manier mit bloßer Hand zerquetscht - schließlich gehören Björgen weiterhin die imposantesten weiblichen Arme im Wintersport. Dabei ist "Königin" Marit zweifelsohne zu höflich und freundlich, um rücksichtslos auf unschuldige Knollengewächse loszugehen, ihre unglaublichen Kräfte lässt sie nur in der Loipe los - und das nun schon im 16. Weltcup-Jahr. Sechs Olympiasiege hat Björgen auf dem Konto, dazu zwölf WM-Titel, mit zwei weiteren Gold-Medaillen in Falun wäre sie Rekordweltmeisterin. Und diese wird Björgen auch holen, den schlagen kann sie eigentlich niemand, außer...
THERESE JOHAUG (26/Norwegen/Skilanglauf): "Königin Marit" ist längst keine Alleinherrscherin mehr, seit "Kronprinzessin Therese" mit von der Partie ist. Der blonde Sonnenschein aus Röros hat das Zeug, an guten Tagen selbst Björgen in Grund und Boden zu laufen - so geschehen Mitte Dezember in Davos, als Johaug ihre große Landsfrau über 10 km mit grotesken 42,5 Sekunden Vorsprung auf den ungewohnten zweiten Platz verdrängte. Sind Johaug, selbst schon Olympiasiegerin und viermalige Weltmeisterin, und Björgen in Falun in Topform, könnten ihre Duelle zum Höhepunkt der Titelkämpfe werden.
PETTER NORTHUG (29/Norwegen/Skilanglauf): Norwegischer Superstar hinter schwedischen Gardinen - Northugs mittelfristige Zukunftsaussichten sind nicht allzu erbaulich. Nach der WM muss der neunmalige Weltmeister eine 50-tägige Haftstrafe wegen einer Trunkenheitsfahrt samt Unfall antreten (wohl mit Fußfessel im Hausarrest) und steht damit in schlechter Tradition skandinavischer Nordisch-Größen: Finnlands Skisprung-Legende Matti Nykänen saß nach einem alkoholindiziertem Totschlags-Versuch 13 Monate im Knast. Sein Landsmann, die mittlerweile verstorbene Langlauf-Skandalnudel Mika Myllylä, atmete gleich mehrmals gesiebte Luft. Im Gegensatz zum notorischen Duo muss Northug aber während seiner aktiven Karriere einrücken, dies womöglich sogar als Rekordweltmeister - ein Titel in Falun reicht Northug, um seinen großen Landsmann Björn Dählie zu überholen.
NORIAKI KASAI (42/Japan/Skispringen): Die Alterskuh wurde zu Genüge durchs Dorf getrieben. Der Vollständigkeit halber: Ja, Kasai ist wirklich 42. Und ja: Er sprang bereits im Weltcup, als Honecker noch die DDR regierte. Aber selbst, wenn der ebenso höfliche wie schweigsame Japaner erst 21 wäre - seine Leistungen wären auch dann über jeden Zweifel erhaben. Zum zwölften Mal seit 1989 startet Kasai bei einer nordischen WM, eine Einzelmedaille holte er nie. Die soll es nun in Falun geben, und es wäre wohl nur eine weitere Zwischenstation.
DANIELA IRASCHKO-STOLZ (31/Österreich/Skispringen): Die exzentrische Steirerin ist die Grande Dame des Skispringens - auch wenn dem flippigen Tausendsassa so gar nichts Damenhaftes anhaftet. Iraschko, die so ganz nebenbei im Tor des Fußball-Bundesligisten Wacker Innsbruck steht, ist ein Pionier des Frauen-Springens. 1999 wurde sie Dritte in der Premieren-Saison des FIS Ladies Cup, der ersten Damen-Wettkampfserie, flog 2011 am Kulm als erste Frau über 200 m, wurde im gleichen Jahr Weltmeisterin. Mit Einführung des Weltcups 2011/12 musste sie die Vorherrschaft an Sarah Hendrickson (USA) und Sara Takanashi (Japan) abgeben, ist im reifen Alter nun aber wieder die Nummer eins - Falun soll die Krönung einer großen Karriere werden.