"Gesamtwertung sieht fürchterlich aus" Deutschen Skispringern droht Tournee-Desaster

Bischofshofen · Schon vor dem letzten Springen steht fest: Die Vierschanzentournee war aus deutscher Sicht eine herbe Enttäuschung. Bis Olympia wartet noch viel Arbeit.

 Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster.

Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster.

Foto: dpa, Arne Dedert

Beim Blick auf die Ergebnisliste schüttelte Werner Schuster nur noch mit dem Kopf. "Die Gesamtwertung sieht wirklich fürchterlich aus", sagte der Skisprung-Bundestrainer nach dem Chaos-Wettbewerb in Innsbruck und fügte an: "Was hier abläuft, ist äußerst unbefriedigend." Schon vor dem Abschluss am Montag (16 Uhr/ZDF und Eurosport) in Bischofshofen steht fest: Die 62. Vierschanzentournee ist aus deutscher Sicht eine einzige Enttäuschung.

Bester Deutscher der Gesamtwertung ist nach drei Wettbewerben Michael Neumayer auf Rang zwölf. Damit droht ein historisch schlechtes Ergebnis: Bei 55 von 61 Tourneen landete bislang immer mindestens ein Springer aus Deutschland oder der DDR in den Top 10. Mit "Ach und Krach" wolle er nun "noch einen unter die ersten Zehn kriegen", sagte Schuster, ehe er hinzufügte: "Aber das ist für die Statistik, wenn man ehrlich ist."

Podest in weiter Ferne

Zu retten ist ohnehin nicht mehr viel. Beim nach einem Durchgang abgebrochenen Wind-Springen in Innsbruck schaffte es am Samstag kein Deutscher in die Top 10. Das Podest oder gar der Gesamtsieg sind in weiter Ferne. Besonders Severin Freund, vor der Tournee als Mitfavorit gehandelt, enttäuschte bislang. "Er hat selbst auch geglaubt, dass er weiter ist. Alle Anzeichen hatten darauf hingedeutet", sagte Schuster.

Auch die anderen beiden heißen Eisen waren schnell aus dem Feuer. Richard Freitag tüftelte nach seiner Verletzungspause am Material, was schon beim Start in Oberstdorf mit dem verpassten zweiten Durchgang "ein bisschen nach hinten losging", wie der Sachse zugibt. Und der erst 18 Jahre alte Wellinger "war noch nicht so weit", wie Schuster angesichts der schwankenden Leistungen des Schülers feststellte.

Mit Blick auf Olympia wartet noch viel Arbeit auf den Bundestrainer. "Im Moment fehlt die Selbstsicherheit", sagte Schuster. Erstes Ziel sei es daher, die Leistungsträger wieder in Form zu bekommen. Nach Möglichkeit schon in Bischofshofen. "Wir wollen dort näher herankommen und einen guten Abschlusswettkampf machen", sagte der Österreicher. Die Form werde wieder kommen, davon sei er überzeugt.

Davon gehen auch die Springer aus. "Mein zweiter Sprung in Innsbruck war gut. Auch wenn danach abgebrochen wurde, den nehme ich gerne mit", sagte etwa Freund. Eine mögliche Pause für den 25-Jährigen schloss Schuster aus. "Er braucht eher ein Erfolgserlebnis. Und Bischofshofen ist leichter für ihn, um seinen Absprungfehler in den Griff zu bekommen." Freund müsse endlich sein Potenzial ausschöpfen, sagte Schuster.

Schuhe mit der Schere zerschnitten

Auch Freitag gab sich kämpferisch, obwohl der dreimalige Weltcup-Gewinner noch immer mit den Folgen seiner Knochenhautentzündung zu kämpfen hat. "Wenn ich auf die Stelle drücke, merke ich noch was", sagte Freitag nach dem Bergisel-Springen, das er als bester Deutscher auf Rang elf beendet hatte. Seine normalen Schuhe hat der Pechvogel sogar mit der Schere zerschnitten, damit keine Druckstellen entstehen.

Eines jedoch können die deutschen Skispringer im Moment am allerwenigsten gebrauchen: Mitleid. An Neujahr habe ihm jemand viel Glück gewünscht, berichtete Werner Schuster, er könne es ja brauchen. "Da müssen wir mal die Kirche im Dorf lassen", sagte der Bundestrainer: "Wir arbeiten hart, wir sind keine Nasenbohrer. Wir wissen, was wir tun müssen, dazu haben wir in den letzten Jahren zu viel erreicht."

(sid)
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